Kommentar Europapolitik der CSU: Fast wär was passiert
Wie soll eine Aufbruchstimmung entstehen, wenn die CSU zeigt, dass sie die EU nicht gestalten, sondern nur klein halten will?
O hne die CSU wäre der parlamentarische Sommer langweilig gewesen. Nur den Seehofer-Krawallos ist es zu verdanken, dass die Bundestagsberatung am Mittwoch über die Begleitgesetze zum EU-Reformvertrag relevant ist.
Fast im Alleingang sorgten sie dafür, dass dort über mehr diskutiert wird als über eine sture Umsetzung der Minimalvorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Dabei haben sie positive Akzente für die europäische Demokratie gesetzt - und diese leider mit ihrer EU-Skepsis gleich wieder konterkariert.
Einerseits hat die CSU erreicht, dass die Rechte des Bundestags auch im europapolitischen Alltag gestärkt werden. Künftig muss die Bundesregierung die Verhandlungen in Brüssel stoppen und noch einmal auf den Bundestag zugehen, wenn sie von dessen Vorgaben abweichen will. Eine bisher nicht einklagbare Vereinbarung wird damit Gesetz.
Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Dies könnte zu einem Aufbruchsignal werden. Also ein Signal dafür, dass die Parlamentarier sich künftig früher und intensiver mit der EU-Politik beschäftigen. Dank der so entstehenden Konflikte würden Medien mehr und früher über EU-Vorhaben berichten. Und für die Bürger würde die so ferne Europäische Union transparenter.
Andererseits: Wie soll eine Aufbruchstimmung entstehen, wenn die CSU gleichzeitig zeigt, dass sie die EU nicht gestalten, sondern nur klein halten will? Mit ihren überzogenen Forderungen nach Volksabstimmungen über den EU-Beitritt neuer Staaten oder einen Vorbehalt zum Lissabon-Vertrag hat sie sich selbst in die EU-skeptische Ecke gestellt, wo sie nur auf eine ebenso populistische Linke trifft. Am Ende des Sommers bleibt die CSU deshalb nicht als positive Überraschung in Erinnerung, sondern doch nur als das sattsam bekannte Ärgernis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch