Kommentar Europäische Union: Schutz für Bäume und BürgerInnen
Anlässlich Macrons Rede ließe sich jammern, dass es mit einer EU-Reform nicht vorangeht. Aber feiern wir lieber die Baum-UmarmerInnen der EU.
W ie oft meckern wir über die Europäische Union? Wie oft wird bemängelt, dass gute Projekte aus Brüssel nicht vorankämen oder nur in winzigen Trippelschritten?
Viel zu häufig. Aber heute gibt es einen Grund, Brüssel zu feiern: Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat der Klage der EU-Kommission gegen Polen recht gegeben. Das Land, so die Richter, verstoße mit der Abholzung von Bäumen in einem Teil des über 150.000 Hektar großen Białowieża-Waldgebiets entlang der polnisch-weißrussischen Grenze gegen das Naturschutzrecht der EU.
Man darf das ruhig mal in Holzhammer-Sprache sagen: Brüssel hat einen der letzten großen Urwälder Europas gerettet. Das Gebiet ist ein Schatz, in ihm leben 20.000 verschiedene Arten, darunter mit dem Wisent Europas größtes Säugetier. Polen hatte den Holzeinschlag mit Verweis auf eine Borkenkäferplage gerechtfertigt, doch UmweltaktivistInnen vermuteten dahinter stets finanzielle Interessen.
Natürlich könnte es auch in Zukunft vor Ort Versuche geben, wieder Bäume zu schlagen, befürchten Umweltschützer. Die polnischen Brüssel-Gegner werden weiterhin die Erzählung der bösen und allzu bevormundenden Kommission bemühen. Aber das heutige Urteil ist eigentlich ein Argument gegen alle EU-Basher, die immer noch denken, in diesen komischen Bürokratenbüros in Belgien würde eigentlich immerzu nur neues nerviges Regelwerk ersonnen, das ihnen verbietet, krumme Gurken und knusprig geröstete Fritten zu essen, und würden die nationalen Regierungen an guter Arbeit gehindert.
Denn das erfolgreiche Vorgehen im Fall Białowieża zeigt, dass die EU ihre BürgerInnen auch schützt. An diesem Tag bewahrt sie die EuropäerInnen davor, aus pekuniären Interessen einen einzigartigen Lebensraum zu verlieren.
Zugegeben: Das Gefühl, von Brüssel vor Ungemach beschützt zu werden, hat die EU der Bevölkerung in der Vergangenheit leider viel zu selten vermittelt. Sie hat es etwa nicht geschafft, sich als Garant für ein soziales Europa zu positionieren. Aber nur allzu oft liegt der Fehler nicht an zu viel, sondern an zu wenig Europa. Wenn etwa die Mitgliedstaaten den Fortschritt verhindern, wie es beim Kampf gegen Steuerwettbewerb der Fall ist.
Heute könnten wir zwar nach Straßburg blicken, wo Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sich im EU-Parlament der Debatte gestellt hat, und darüber jammern, dass es mit einer Reform der EU nicht vorangeht. Aber schauen wir zur Abwechslung auch mal auf den Białowieża-Wald – und feiern die Baum-UmarmerInnen aus der EU-Kommission.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche