piwik no script img

Kommentar EntwicklungshilfeNiebels gefährlicher Egoismus

Kommentar von Gordon Repinski

Wenn das Eigeninteresse in der Entwicklungspolitik salonfähig wird, verliert sie ihre Berechtigung.

E ine der liebsten Sportarten von Entwicklungsminister Dirk Niebel ist Rugby; ein Sport, bei dem bullige Männer mit sattem Sprung in den Matsch Punkte erzielen, notfalls mit zwei Gegnern am Bein hängend. Ähnlich brachial verfährt der FDP-Mann derzeit in Ecuador. Zwar hat der Bundestag im Jahr 2008 überparteilich entschieden, in einem Gemeinschaftsfonds Geld zur Verfügung zu stellen, damit Ecuador den Regenwald erhält und auf Ölförderung verzichtet. Doch Niebel ist das egal. Er fährt die Ellenbogen aus und streicht die deutsche Hilfe.

Das folgt einem System: Der Minister entzieht Projekten Geld, in denen Deutschland zusammen mit anderen Ländern Ziele verfolgt. Ob es der Globale Fonds für Aids- und Malariabekämpfung ist oder der Regenwald in Lateinamerika: Bei multilateralen Projekten steht der Name Deutschland aus Sicht von Dirk Niebel nicht groß genug drauf. Und damit sind sie uninteressant. Es ist ein Rückschritt in vergangene Jahrzehnte.

Dahinter steht der Wunsch des Ministers, die deutsche Entwicklungspolitik zum Durchführungsorgan nationaler Interessen zu machen. An diesen orientiert war die Entwicklungspolitik natürlich schon immer: Auch der Regenwaldschutz in Ecuador dient schließlich dem deutschen Interesse, den Klimawandel zu bekämpfen. Das reicht Niebel aber nicht. Er beobachtet nicht ohne Neid, wie chinesische "Entwicklungshelfer" nach Afrika kommen, Schneisen aus Beton durch den Kontinent ziehen und darauf rücksichtslos die Rohstoffe ins eigene Land schaffen. Geradezu elektrisiert scheint er davon zu sein, dass China deshalb noch nicht einmal durchgehend unter einem schlechten Image vor Ort leidet.

taz

Gordon Repinski ist Parlamentsredakteur der taz.

Ein Jahr nachdem Niebel aus Proporzüberlegungen zum Entwicklungsminister gemacht wurde, hat er sein Ministerium nicht, wie angekündigt, abgeschafft: Er hat es systematisch umgebaut. In der Führungsebene wurden in mehreren Schritten Parteisoldaten installiert, die mit der nötigen Distanz zu entwicklungspolitischen Themen nun knallharte Interessenpolitik umsetzen - ohne dass im Haus noch ernsthaft Widerspruch zu erwarten wäre. Von wem auch?

Diese Entwicklung ist gefährlich. Wenn das Eigeninteresse in der Entwicklungspolitik salonfähig wird, verliert sie ihre Berechtigung. Dann reduziert sie sich zu einem neokolonialistischen Instrument der Rohstoffgewinnung. So weit ist Niebel bald. Viel für ein Jahr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • UH
    Udo Henn

    Man sollte Niebel zugute halten, dass er nicht blauaeugig Steuergelder verschwendet fuer fragwuerdige Projekte, die weder dem deutschen Steuerzahler nuetzen noch der Bevoelkerung vor Ort einen gezielten Entwicklungsimpuls verschaffen. So arm ist Ecuador nicht, dass man dort auf solche Almosen angewiesen waere. Und es ist doch laecherlich, anzunehmen, dass ein wenig mehr oder weniger Oelfoerderung in Ecuador auch nur die geringste Auswirkung auf das Weltklima oder das Klima in Deutschland hat.

  • T
    tinocchio

    Rührend, wie viele offenbar immer noch glauben, Niebel mache sachgerechte Entwicklungspolitik! Als FDP-Politiker, ich bitte Sie!

    Niebel lässt langsam, aber sicher mit scheinheiligen Argumenten deutsche Entwicklungshilfe-Gelder einsparen, um sie für den einzigen Zweck, den ein schwarzgelber Politiker sinnvoll findet, freizumachen: Sie denen zuzuschustern, die einen Teil davon gerne wieder in die eigene Parteikasse spenden werden. Ist ja auch eine Art von Entwicklungshilfe, "Basisgeld" lockerzumachen für notleidende, ins Nirwana absinkende Parteien und ihre von Arbeitslosikgeit bedrohten Bonzen.

  • S
    sammael

    Das ist wirklich ein Skandal!! ein deutscher Minister der sich erdreistet sich für die Interessen seines eigenen Landes stark zu machen!!

    Nein.. also wirklich... mir stockt der Atem!! So Politiker brauchen wir wirklich nicht!!

  • E
    Eisbär

    Ach Leute, die Welt hat sich nicht geändert. Alles ist beim Alten geblieben. Wer geglaubt hat, "Entwicklungshilfe" wurde aus reiner Menschenfreundlichkeit betrieben, der irrt sich genau so wie derjenige, der glaubt es existiere heute keine Propaganda mehr.

     

    Denkt doch noch einmal über den Spruch von Köhler nach. Wie war der noch mal? Komme nicht ganz drauf. Aber sinngemäß: Ich schieß mir den Weg frei.

     

    Gute Nacht.

  • M
    Matthias

    Ich weiss nicht warum Sie von Schutztruppen sprechen?

    Es geht darum ein Regenwaldgebiet zu schützen.

    Wenn es Wüstenniebel nicht passt, dass da nicht ganz oben DEUTSCHLAND steht, dann ist er am falschen Platz. Aber das war ja schon vorher klar, bei seinen Wahlkampfaussagen.

    Entwicklungszusammenarbeit bedeutet nicht zu zeigen hier ist Deutschland, sondern deutsche Hilfe ist nachhaltige Hilfe. Das das nicht immer der Fall ist, ist sehr schade. Meine Erfahrung aus Zentralasien ist aber, dass deutsche Hilfe wohl als etwas besonderes wahrgenommen wird, weil sie den Anspruch an Nachhaltikeit hat. Die Chinesen werden als Rohstoffdiebe schon wargenommen, aber sie verlangen auch nicht "Das wir Kommunisten werden" hört man von der örtlichen Bevölkerung.

    Das ist ein Dilemma, dem sich Niebel auf falschem Wege nähert.

    Das heißt man sollte weiter in einzellne GTZ etc. Projekte investieren, aber internationale Projekte weiter unterstützen.

    Denn ein DEUTSCHES GTZ Projekt zur Renaturieung des zerstörten Regenwaldes in Ecuador ist weder in der Lage die gesamte Zerstörung auszumertzen, noch hilft es der vertriebenen und der erkrankten Bevölkerung!

    Denn Ölgewinnung bedeutet nun mal "Gölf von Mexiko", wenn auch nicht immer in dem Ausmaß.

  • JL
    Jonah Lomu

    Die Entscheidung ist das Gegenteil von Egoismus. Nur sehr wenige Politiker haben den Mut, der Vernunft folgend Entscheidungen zu treffen, die ihnen garantiert öffentliche und parteiübergreifende Prügel bescheren. Normalerweise werden von Politikern, dem eigenen Ego folgend Entscheidungen getroffen, die öffentlichen Applaus garantieren.

     

    Correa ist ein Opportunist und alles andere als ein verlässlicher Vertragspartner. Die Umwelt oder die Indigenas interessieren ihn nur solange, wie es für ihn politisch profitabel ist. Angesehene Verhandlungspartner in diesem Projekt wie Yolanda Kakabadse oder Fander Falconi sind schon Opfer der Eigeninteressen des exzentrischen Präsidenten geworden und mussten gehen. Weil Correa die von allen geforderten Zahlungsmodalitäten über einen Treuhandfonds überhaupt nicht gefielen, drohte er auch schon, sofort mit der Förderung des Öls zu beginnen. Ich denke, es ist sehr vernünftig, dass Herr Niebel vorsichtig mit unseren Steuergeldern umgeht.

     

    PS: Rugby ist eine sehr technische und von Taktik geprägte Sportart. Wilde Männer im Matsch ist wohl eher das Klischee eines Unwissenden.

  • D
    Danny

    @Weltretter

    @Ulrich Stock

    Wieso finden sich eigentlich auf den taz-Kommentarseiten so viele "Bild"- und "Welt"-Leser ein?

    Ist es Profilierungssucht?

    Oder Hirnneid?

    Verklickert bitte eure unhinterfragten Dämlichkeiten bitte dort, wo sie hingehören: in FDP- oder CDU-Kreisen!

  • US
    Ulrich Stock

    Im häufig zu trockenen Nordost-Thailand hatte ich mich intensiv mit einem Entwicklungsprojekt der U.S.A. befasst: den armen Farmern wurden Regen-Rückhaltebecken und Teiche gebaut, worüber alle Thais sehr glücklich waren. Mit der örtlichen Bauleitung waren japanische Wasserbau- und Agraringenieure betraut. Deshalb glaubten alle Dorfbewohner ohne Ausnahme, dass es sich bei dem gelungenen Entwicklungshilfeprojekt um eine japanische Entwicklungshilfe gehandelt hatte.

    Ich bin überhaupt kein Freund der FDP, aber ich sehe im Verhalten von Niebel keinen gefährlichen Egoismus.

    Im Übrigen waren und sind immer noch deutsche Entwicklungshelfer bei internationalen Institutionen deutlich unterrepräsentiert in Relation zu den eingezahlten Hilfsgeldern.

  • W
    Weltretter

    Niebel steht vielen Leuten im Weg die mit "Entwicklungsprojekten" ein ganz gutes Einkommen bei gleichzeitigem Abenteuerurlaub und laut propagierter Gutmenschlichkeit genießen. Die Einfachformel hat Peter Scholl-Latour mal so gesagt: Ein paar Sozilogie- und Biologiestudenten kaufen nach bestandenem Studium von Entwicklungshilfemitteln ein paar Geländetoyota, kaufen Decken und fahren nach Afrika. Dort verteilt man die Decken lebt "total mit der Bevölkerung", versucht ihnen etwas Bio-Landwirtschaft beizubringen, und wenn das Geld alle ist sucht man ein neues Projekt. Vom restlichen Geld kaufen sich der örtliche Diktator und seine Freunde ein paar Mercedese. Vereinfacht aber oft wahr. Seit Jahrzehnten weiß man um die Verschwendung von Mitteln der Entwicklungshilfe und um die meist falsche Strategie. Die "Entwicklungshilfe" ist heute eine Einkommensquelle für viele Leute im Westen wie örtliche Korruptions-"Eliten" in den nehmerländern. Die Ersteren haben gute Kontakte zu unseren Medien, bei denen oft Schlagworte reichen um "soziale Kälte" oder "Neukolonialisierung" zu orten wo nichts ist. Natürlich ist es wunderbar im Kanu Entdeckungstouren im Urwald zu machen oder in der Öko-Lodge seine "Studien" zu betreiben. Man soll nur nicht so tun als ob die Menschen dort den größten Nutzen von der Sache haben. Von der Ölfirma wohl auch kaum, aber genau da kann man ansetzen. Ich kenne die Situation in Süd und Mittelamerika nicht, aber ich weiß was ich in Afrika gesehen habe. Das reicht mir um höchstes Mißtrauen aufzubringen sobald ein paar "Aktivisten" dort die Welt retten, die zuhause ansonsten Probleme hätten mit ihrem Wissen ein vernünftiges Auskommen zu haben.

  • D
    durden

    bleiben sie bitte an dem thema dran! dieser unsägliche mensch darf nicht damit durchkommen!

  • T
    teodoro

    Wie der deutsche Pabst, so leben auch manche Deutsche in vergangenen Zeiten. Der alte Drang den "anderen" die deutsche Sitten and Gedanken aufzuzwingen - entweder mit "Schutztruppen" - oder mit "Umweltsorge". Wenn der Ami die Entwicklung in Lateinamerika sabotiert - dann macht er das um seiner eigenen Wirtschaft und Export zu verteidigen - so das Program "Farms here forests there" - wenn man den "Urwald" schuetzt, koennen die USA noch EXTRA $ 270 Millarden bis 2030 am eigenen Agrarexport verdienen. Aber Herr Niebel erkennt dass in Lateinamerika eine Wendung ensteht - auf keinen Fall will man dort weiter die Vorschriften von USA und Europa akzeptieren: Die Kolonialepoche ist endgueltig vorueber. Deutschland muss sich entscheiden ob es auch noch "Schutztruppen" nach Suedamerika entsenden will!