Kommentar Energiepreiserhöhung: Nachhilfe in Marktwirtschaft
Kaum gibt es keine Preisaufsicht mehr, erhöhen die Energieanbieter saftig die Preise. Ärgerlich für die Verbraucher. Doch die können sich wehren - indem sie den Stromanbieter wechseln.
Eon kündigt eine Erhöhung der Strompreise an und vollzieht damit einen Schritt, den andere Firmen bereits gemacht haben. Auch RWE wird zum Jahreswechsel mehr Geld für seinen Strom verlangen, Vattenfall tut das bereits seit dem 1. Juli. Die Begründung der Konzerne ist stets dieselbe: Die Beschaffungskosten würden steigen, die Erstattungen an Anbieter erneuerbarer Energien auch.
Dass Eon, RWE und Vattenfall die Kohle selbst zu Tage fördern, die sie in ihren Kraftwerken verheizen, spielt dabei offenbar keine Rolle. Und noch eine wichtige Information geben die Konzerne ihren Kunden nicht: Bis zum 1. Juli dieses Jahres gab es in den Bundesländern Kontrollbehörden, die jede Erhöhung des Endkundenpreises genehmigen mussten. Diese Stufe der Preisaufsicht ist weggefallen. Schließlich herrsche Wettbewerb, lautet die Begründung der Bundesregierung. Und in einem freien Markt verbiete sich eine solche Vorab-Kontrolle.
Die Konzerne nutzen die neue Freiheit nun für einen saftigen Aufschlag auf die Tarife. Für die Kunden ist das in doppelter Hinsicht ärgerlich: Einerseits, weil das Manöver so durchschaubar ist. Andererseits, weil nach dem Wegfall der Preisaufsicht noch ein gleichwertiger Ersatz fehlt. Zwar sollen die Kartellbehörden durch ein neues Wettbewerbsrecht mehr Macht bekommen als bisher, um den Konzernen bei ihrer Kalkulation auf die Finger sehen zu können. Auch sollen die Netze, die noch immer in der Hand der großen Produzenten liegen, durch die Regulierungsbehörde überwacht werden. Doch der Wettbewerb ist noch immer nicht recht in Gang gekommen.
Das liegt auch an den Stromkunden. Sie könnten den Stromkonzernen einfach den Rücken kehren und sich einen neuen Anbieter suchen. Die Zeit der Lethargie scheint inzwischen vorbei zu sein, wie Vattenfall in diesem Sommer erfahren musste. Rund 100.000 Kunden verlor man, auch wegen der Tariferhöhung. Das hat bei Vattenfall zwar noch kein grundsätzliches Umdenken bewirkt, dürfte aber Einfluss auf die künftige Konzernstrategie nehmen. Nun ist RWE und Eon eine solche Nachhilfestunde in Marktwirtschaft zu wünschen.
STEPHAN KOSCH
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