Kommentar Energienetze: Die Trasse ist nicht alles

Wer gegen eine Stromautobahn kämpft, sollte wissen, wer für die neuen Trassen verantwortlich ist: Lage und Dimension der klassischen Kraftwerke. Hier muss der Umbau beginnen.

Die Argumentation klingt schlüssig: Baut man weniger Windkraftanlagen in der Nordsee und dafür mehr Ökokraftwerke im deutschen Süden, dann werden einige Stromtrassen von Nord nach Süd verzichtbar. Die Praxis aber ist komplexer. Denn es geht nicht einfach darum, dass der Norden so viele Kilowattstunden erzeugt, wie er verbraucht, und der Süden so viele, wie er verbrät. Es geht darum, dass zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort Verbrauch und Angebot in Balance stehen müssen.

Wer neue Stromtrassen vermeiden will, sollte daher lieber an anderer Stelle ansetzen, wo mehr zu bewirken ist: Strom aus fossilen Energien darf künftig nur noch verbrauchernah in flexiblen Kraftwerken erzeugt werden. Wie viel politische Arbeit in diesem Punkt noch zu leisten ist, haben die Pläne zum Bau eines riesigen Kohlekraftwerks im norddeutschen Brunsbüttel gezeigt, die erst am vergangenen Donnerstag gestoppt wurden.

Das Projekt war gleich doppelt unsinnig: Erstens sollte es an einem Standort im Norden gebaut werden, wo der Strom nicht gebraucht wird. Und zweitens ist die Kohleverstromung eine Technik, die nicht mehr in die Zeit passt, weil die Anlagen sich nicht ausreichend flexibel steuern lassen. Das Kraftwerk hätte immer wieder das Netz mit Strom verstopft. Werden stattdessen im Süden dezentrale, flexible Gaskraftwerke gebaut, hat man damit die Netze zwischen Nord und Süd zweifellos entlastet.

In diese Richtung muss es also gehen: Wer gegen eine Stromautobahn in seiner Heimat kämpft, sollte erkennen, dass nicht die Offshore-Windkraft zuvorderst für die neuen Trassen verantwortlich ist, auch wenn sie dem Ideal der dezentralen Erzeugung eklatant zuwiderläuft. Verantwortlich sind vielmehr Lage und Dimension der klassischen Kraftwerke – hier muss ein Umbau beginnen.

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