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Kommentar El SalvadorGuatemala kann es besser

Toni Keppeler
Kommentar von Toni Keppeler

Kriegsverbrecher haben in El Salvador nichts zu befürchten. Weder das Oberste Gericht noch der Präsident sind an ihrer Verurteilung interessiert. Der Nachbar macht's anders.

K aum zu glauben, dass in El Salvador vor zwei Jahren ein angeblich "historischer" Machtwechsel stattfand, als der Kandidat der ehemals linken Guerilla FMLN zum Präsidenten gewählt wurde. Dass die Ultrarechte, die das Land zwanzig Jahre lang regiert hatte, das akzeptierte, nahm man zum Zeichen dafür, dass die mörderische Polarisierung des Bürgerkriegs (1980 bis 1992) endgültig überwunden sei und es nun Demokratie und Rechtsstaat gebe.

Doch immer, wenn es darauf ankommt, zeigt sich: So viel geändert hat sich nicht. Die Schlächter von gestern gelten noch immer als Ehrenmänner.

Wie anders soll man den Freibrief des Obersten Gerichtshofs zugunsten von neun ranghohen Militärs verstehen, die 1989 ein Massaker an der damals regierungskritischen Jesuiten-Universität angeordnet und ausgeführt hatten? Weil sie in El Salvador nicht belangt werden, sucht sie ein spanischer Richter mit internationalem Haftbefehl, um sie in Madrid vor Gericht zu stellen.

Bild: Yvonne Berardi
TONI KEPPELER

ist taz-Korrespondent und berichtet aus Mittelamerika.

Es reichte aus, dass sich die neun in einer Kaserne verschanzten und ihre Waffenbrüder damit drohten, den Friedensvertrag von 1992 zu vergessen - und schon kuschte das höchste Gericht und entschied: Der Haftbefehl wird nicht ausgeführt, Kriegsverbrecher haben in El Salvador nichts zu befürchten.

Der Präsident wäscht seine Hände in Unschuld und sagt, das sei eine Sache der Justiz.

Im Nachbarland Guatemala, wo das Justizwesen noch korrupter ist als in El Salvador, wurden Anfang August vier Exmilitärs wegen eines Massakers zu über 6.000 Jahren Haft verurteilt. Eine ganze Handvoll ehemaliger Polizeichefs sitzt wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption im Gefängnis, ein Expräsident in Auslieferungshaft, ein ehemaliger Generalstabschef wartet auf seinen Prozess wegen Völkermord. El Salvador sollte sich daran ein Beispiel nehmen.

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Toni Keppeler
Auslandskorrespondent Mittelamerika
1956 im Hohenlohischen geboren. Hat beim Schwäbischen Tagblatt in Tübingen Journalismus gelernt und dort als Redakteur fast zehn Jahre lang ausgeübt. Danach war er vier Jahre Journalismusprofessor an der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador, acht Jahre Korrespondent für Mittelamerika und die Karibik für taz (Berlin) und Weltwoche (Zürich) und vier Jahre Auslandsredakteur beim Schweizer Nachrichtenmagazin Facts. Von 2006 bis 2009 bei der Reportage-Agentur Zeitenspiegel, zuletzt als Mitglied der Geschäftsführung. Er ist Dozent an der Zeitenspiegel-Reportageschule Günter Dahl in Reutlingen und der Burda Journalistenschule in Offenburg. 1987 wurde er mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. 2010 Mitgründer von latinomedia - Büro für Journalismus. Er betreut seither das latinomedia-Büro Tübingen und pendelt zwischen Deutschland und Lateinamerika.
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4 Kommentare

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  • JZ
    jan z. volens

    Das ist kein idealer Zustand. Doch, die "Normalisierung" in jeden Land in Lateinamerika vollzieht sich etwas anderes. Von Deutschland und Europa kann man das alles nicht richtig analysieren. In Nationen wie El Salvador, Brasilien, Uruguay - ist das innerpolitische Verhaeltnis noch bedingt an Koalitionen in welchen die "Linke" nur ein Element darstellen und Kompromisse mit anderen Richtungen eingehen muessen - welche die "Linke" nur unter durch solche Kompromisse unterstuetzen oder teilnehmen lassen. Die "Normalisierung" ist vorher enstanden durch eine stillschweigende Vereinbarung zwischen Links und Rechts - den "Burgfrieden" zu unterstuetzen: Wichtiger ist nun die zukuenftige nationale Einheit. Viele links und rechts meinen heute: Wir waren beide Opfer der Einmischung von Washington und Moskau, welche uns gegeneinander missbraucht haben!

  • EB
    Enrique Bahrenb.

    Lieber Herr Keppler,

     

    Ihr Kommentar ist an europaeischer, oder besser gesagt deutscher Arroganz nicht zu überbieten. In ihrem Land haben jahrelang Nazi-Verbrecher und Stasi-Kriminelle ungesuehnt in Freiheit gelebt. Wie geht es eigentlich Frau Honecker?

     

    Nur weil eine Regierung nicht so entscheidet, wie es ein besserwesserischer Deutscher Linker will, heißt es noch lange nicht, dass dies eine falsche Entscheidung ist. In Ihrem Kommentar vermisse ich übrigens eine wichtige Kompente. Das Opfer in diesem Konflikt - die Kirche - hat sich in Form des Erzbischofs für die Versoehnung und die Vergebung ausgesprochen. Dies sei der beste Weg wieder zu einander zu finden. Es habe schon genung Blut vergießen gegeben.

     

    Vielleicht ist die Kirche in diesem Punkt ausnahmsweise einmal fortschrittlicher als der Deutsche, der auf Rache sinnt. Rache ist nicht das, was El Salvador braucht. Und noch weniger besserwisserische Deutsche, die sagen, wie es richtig zu entscheiden hat. Auch das ist nämlich eine Form von Kolonialismus.

     

    Enrique B.

  • V
    Volksverdummung

    .

    Ein vorzüglicher Kommentar von Toni Keppeler, der auch mahnend an die Ermordung des Sozialreformers, Menschenfreundes und Erzbischofs Romero und an die barbarischen Morde der "Todesschwadronen"erinnert.

    .

    Jetzt würde ich nur noch gerne wissen, WARUM Guatemala es heute "anders machen" kann, als El Salvador... Welche Gründe machen den Unterschied aus? Liegt es an einer besonderen Verfassungsstruktur, liegt es am Personal des Obersten Gerichts, oder an was?

    .

    HESSE

    .

  • JF
    Jackie Fuentes

    Guatemala kann es besser????? und was ist mit General Otto Perez Molina????