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Kommentar Eisschmelze in der AntarktisSpektakuläre Erinnerungen

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Die Katastrophszenarien vergangenen Jahres scheinen von der Politik schon längst vergessen zu sein. Dabei sind die Folgen des Klimawandels noch weitaus dramatischer.

A ls der Weltklimarat im vergangenen Jahr seine neuen Prognosen zum Klimawandel vorstellte, war die weltweite Aufmerksamkeit immens. Katastrophenszenarien dominierten die Medien, Klimaschutz war alltäglicher Gesprächsstoff und die Politik nahm sich des Themas auf höchster Ebene an.

Bild: taz

Malte Kreutzfeldt ist Leiter des taz-Ressorts Ökologie und Wirtschaft.

Seitdem ist die Entwicklung eher noch dramatischer geworden. Neue Studien zeigen, dass die Szenarien des Weltklimarats möglicherweise zu optimistisch waren. Der Ausstoß klimaschädlicher Gase nimmt in vielen Regionen, etwa in China, deutlich schneller zu als prognostiziert. Die Gletscher schmelzen weltweit mit größerer Geschwindigkeit als je zuvor gemessen. Und zuletzt beobachteten Wissenschaftler in der Antarktis das Abbrechen einer Eisplatte von gigantischem Ausmaß.

In Politik und Öffentlichkeit findet sich diese Dramatik allerdings nur noch verhalten wieder. Wenn Katastrophenszenarien nicht gewaltig übertroffen, sondern "nur" allmählich erreicht werden, reagieren Menschen schnell gelangweilt. Und die Politik hat von den dramatischen Appellen bei globalen Treffen schnell zum kleinteiligen Streit in Unterausschüssen zurückgefunden. International gilt es schon als Erfolg, dass überhaupt weiter verhandelt wird. Deutschland ruht sich derweil auf seinen vermeintlichen Erfolgen aus, bremst die Klimaziele der EU und streitet verbissen über die Details der angekündigten Klimagesetze.

Die Partei der Klima-Kanzlerin, die in Heiligendamm, Bali und Grönland stets schnelles Handeln gefordert hat, ist längst in ihre klassische Rolle zurückgefallen und bremst die - ohnehin nicht ausreichenden - Pläne des Umweltministers, wo immer sie kann. Erneuerbare Energien werden nicht mehr primär als Klimaretter, sondern als Kostentreiber gesehen. An der Braunkohlenutzung wird nicht gerüttelt, und ein Tempolimit ist tabu.

Insofern muss man sich fast freuen, wenn die Eismassen in der Antarktis spektakulär abbrechen, statt nur still vor sich hin zu schmelzen. Als kleine Erinnerung, dass der Klimawandel sich nicht durch Ankündigungen stoppen lässt, sondern nur durch reale Veränderungen.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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2 Kommentare

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  • F
    F.Pfeiffer

    Ein solcher Kommentar kann nur zustandekommen wenn der Unterschied zwischen Kausalität und Korrelation nicht mehr beachtet wird; so bleibt es bei willkürlich gewählten "Zusammenhängen", schade.

     

    F. Pfeiffer

  • GR
    Guido Reinking

    Sehr geehrter Herr Kreutzfeldt!

     

    Ihr Kommentar ist widersprüchlich: Die Lage wird dramatischer, weil der CO2-Ausstoß in Schwellenländern wie China schneller steigt. Daran werden wir mit einem Tempolimit hierzulande, das den CO2-Ausstoß Deutschlands um 0,3 Prozent (BUND-Zahl!) senkt, nichts ändern. Was getan werden müsste: Rigorose Beteuerung des CO2-Ausstoßes, z.B. über die Mineralölsteuer. Umweltsteuer auf Importprodukte aus China, die unter abenteuerlichsten Umweltstandards entstehen und heimische Produkte vom Markt drängen. Dazu müssten aber alle Industrieländer an einem Strang ziehen. Sonst verzerren wir damit nur den Wettbewerb und helfen der Umwelt kein Stück. Das wird aber eine Illusion bleiben. Also lässt sich die Gelassenheit, die Sie zu Recht beobachten, auch so erklären: Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.

     

    Mit bestem Gruß,

    Guido Reinking