Kommentar Eisenbahn-Markthalle: Eine Chance verdient
Die neuen Betreiber der Kreuzberger Eisenbahn-Markthalle setzen auf kleinteilige, regionale Angebote. Mit "Bionade-Boheme" hat das nichts zu tun.
K aum ist die Entscheidung über die Zukunft der Kreuzberger Markthalle gefallen, gibt es die ersten Reflexe: "Hilfe, die Bionade-Boheme kommt!", schallt es aus der sehr linken Ecke. "Der Aldi verschwindet - das Einzige, wo wir einkaufen können!" Die neuen Betreiber, ein Bündnis aus dem Kiez, haben ein kleinteiliges Marktkonzept entworfen. Sie wollen regionalen Anbietern Stände zu günstigen Mieten geben. Das hat eine Chance verdient.
Gutes Essen muss nicht teuer sein. Wer regional einkauft und saisonal, spart Geld und entscheidet sich für Lebensmittel, die kurze Wege hinter sich haben und damit eine gute Energiebilanz. In der Regel sind sie zudem weniger aufwändig behandelt, sie müssen ja nicht wochenlang auf Schiffen liegen. Genau dieses Konzept wollen die Markthallen-Betreiber ausprobieren.
Mit der Luxus-Bio-Einstellung der Schickeria hat das wenig zu tun. Ja, die Biomango aus Peru ist teurer als die Aldi-Mango. Tomaten und Erdbeeren aus dem Biomarkt sind im Januar für den Durchschnitt unerschwinglich. Aber: Es ist absurd, im Januar Erdbeeren zu essen. Wer das möchte, soll ruhig zahlen.
Insofern ist das Konzept eine Chance, das Bewusstsein für regionale und natürliche Kreisläufe neu zu wecken. Die Unverbesserlichen werden weiter ungebremsten Lebensmittelspaß wollen, je nach Geldbeutel bei Aldi oder im Bioladen. Hoffen zumindest soll erlaubt sein, dass einige beginnen, nachzudenken: wo Essen herkommt, wie Preise zustande kommen. Und welche Rolle wir dabei spielen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind