Kommentar EU-Gipfel: Europa wird deutsch

Merkels Fiskalplan trägt kaum zum Abbau der Schulden bei. Bevor er greift, ist Griechenland längst pleite. Darüber hinaus werden sich die EU-Staaten gegenseitig vor den Kadi zerren.

Das "deutsche Europa" nimmt Gestalt an – und es sieht nicht gut aus. Es ist ein Europa, in dem Sparkommissare oder andere, demokratische nicht legitimierte Oberaufseher über das Schicksal ganzer Länder entscheiden – siehe Griechenland. Es ist ein Europa, in dem sich Regierungen gegenseitig vor den Kadi zerren, weil sie die Sparvorgaben nicht einhalten, die Deutschland diktiert hat.

Wenn Merkels Fiskalpakt wie geplant 2013 in Kraft tritt, wird es möglich sein, dass Berlin die Regierung in Paris verklagt, weil der französische Budgetentwurf nicht den neuen strikten Haushaltsregeln entspricht – noch vor ein paar Monaten wäre das undenbkar gewesen.

Gewiss, eine sparsame, nachhaltige Haushaltspolitik liegt auch im Interesse der jungen Generation. Irgend jemand muss schließlich die hohen Defizite abtragen. Aber zum Abbau der immensen Schuldenberge trägt der Fiskalpakt kaum bei; da wäre ein Schuldentilgungsfonds, wie ihn der deutsche Sachverständigenrat vorgeschlagen hat, viel besser gewesen.

ERIC BONSE ist Korrespondent der taz in Brüssel.

Auch zur Eindämmung der Eurokrise taugt der Pakt nicht. Wenn die Schuldenbremsen wirken sollten – viele zweifeln daran, dass sie überhaupt funktionieren – dann frühestens in zwei, drei Jahren. Bis dahin ist Griechenland endgültig pleite.

Selbst der neue Plan für Wachstum und Beschäftigung hält nicht, was er verspricht. Denn zum einen soll es dafür kein frisches Geld geben – es werden einfach nur längst eingeplante Mittel umgewidmet.

Zum anderen sind die geplanten Strukturreformen ein alter Hut. Sie wurden bereits in der EU-Strategie 2020 und im Wettbewerbspakt vom letzten Jahr angekündigt - geholfen hat es alles nichts.

Im günstigsten Fall werden die Reformen erst in ein paar Jahren Früchte tragen, räumen selbst die Berater der Kanzlerin ein. Doch die Arbeitslosigkeit ist schon jetzt auf Rekordniveau, Europa droht eine „verlorene Generation“.

Viel Hoffnung geht von diesem Gipfel also nicht aus, auch wenn die "eiserne Kanzlerin" mit sich und ihrem Erfolg zufrieden sein kann. Tragfähig wird das deutsche Europa erst dann, wenn es ergänzt und erweitert wird.

Was noch fehlt, ist alt bekannt: Ein größerer Rettungsschirm, der Italien und Spanien vor den Attacken der Spekulanten schützt. Gemeinsame europäische Staatsanleihen ("Eurobonds"), die die absurd hohen Zinsen auf ein erträgliches Maß drücken. Und eine echte Fiskalunion, in der nicht nur über Defizite, sondern auch über gemeinsame Steuern und Konjunkturprogramme gesprochen wird.

Bisher lehnt Merkel all dies ab. Doch in Brüssel hoffen viele, dass sie eines nicht allzu fernen Tages doch noch umdenken wird. Erst wenn die deutsche Politik europäischer wird, kann ganz Europa wieder Hoffnung schöpfen.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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