Kommentar ETA: Erdrückendes Meinungsklima
Mit Aspiazu mag die Polizei einen der wichtigsten ETA-Anführer geschnappt haben - doch trotzdem stehen jede Menge radikalisierter Jugendlicher bereit für den bewaffneten Kampf.
Mit dem Militärchef der ETA, Mikel Garikoitz Aspiazu, ist der Polizei einer der wichtigsten Anführer der baskischen Untergrundorganisation in die Fänge gegangen. Wer hofft, dass damit dem harten Flügel des Separatistenverbands der endgültige Stoß versetzt worden ist, dürfte sich allerdings bald enttäuscht sehen. Denn ETA verfügt über ein breites Umfeld radikalisierter Jugendlicher, die jederzeit bereit sind, den bewaffneten Kampf aufzunehmen. Mittlerweile sind sie in der Organisation sogar in der Überzahl. Ältere, verhandlungsbereite Führungsmitglieder wurden entweder verhaftet - oder von jüngeren Genossen wie dem verhafteten ETA-Chef an den Rand gedrängt.
Es mag verwundern, dass die Radikalnationalististen der ETA noch immer Zulauf haben. Immerhin wurde dem spanischen Baskenland vor 29 Jahren eine weitreichende Autonomie zuerkannt, seither besitzt es im Landesverbund mehr Rechte als ein Bundesland in Deutschland oder ein Kanton in der Schweiz. Doch am baskischen Hass auf Madrid hat das wenig geändert.
Die spanische Hauptstadt, die nur noch wenig zu melden hat, ist für baskische Nationalisten - nicht nur die Radikalen - das Böse schlechthin. So wird es an den Schulen und Unis gelernt, und wer anderer Meinung ist, wird unter Druck gesetzt. Die Drohungen sind ernst zu nehmen, denn ETA mordet nicht nur Polizisten und Militärs, sondern auch unliebsame Lokalpolitiker, Journalisten, Unternehmer oder Professoren. So mancher Intellektuelle ist deshalb ins Exil gegangen, in eine andere Region oder ins Ausland. Die Folge ist ein erdrückendes Milieu mit Hang zum Einheitsdenken.
Die "gemäßigten Nationalisten", die das Baskenland regieren, tragen ihren Teil zu diesem Meinungsklima bei, indem sie die Basken zu steten Opfern der Zentralregierung stilisieren. Nur logisch, wenn da mancher glaubt, es sei legitim, für die Freiheit seines vermeintlich unterdrückten Volkes zu den Waffen zu greifen. Oder: "Die einen schütteln den Baum, die anderen lesen die Nüsse auf", wie einst einer der Parteivorsitzenden erklärte.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens