Kommentar Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Vorhautmetzger unterwegs, ein Solo am Reißwolf und ein Bundespräsident, der einen netten Eindruck macht: Die Woche mit Friedrich Küppersbusch.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Kein EM-Spiel um den dritten Platz. Das wäre für die Bayern mal eine Abwechslung gewesen.
Was wird besser in dieser?
ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
26 Tage warten auf Olympia in London.
Drei große Turniere und dreimal kein Titel: Neben vielen tollen Spielen ist das die nackte Bilanz von Jogi Löw als Bundestrainer. Fehlt ihm das Sieger-Gen?
Na hoffentlich – wenn dieses Gen so aussieht wie DFB-Sportdirektor Matthias Sammer und auch so redet: „Es muss auch Anführer geben. Ohne Struktur und Hierarchie in einer Mannschaft ist alles nichts. Die Mannschaft ist der Star? Dieses Denken ist gefährlich.“ Solange die Alternative zu Löw die frühen 80er sind, „Ballgefreite warten auf einen Schummel-Elfer“ statt der leichtfüßigen Jungs – weiter so. Ich möchte mir Testosteron-Posing à la Balotelli bei Philipp Lahm nicht so recht vorstellen, doch ich sehe Lahm meist gern spielen. Löws Team hat drei Turniere lang erfolgreich unser Ballverwalter-Image ruiniert, da ist mir Pokalhochrecken wumpe. Wenn Sammer „Struktur und Hierarchie“ schätzt, könnte er einfach mal den Mund halten.
Ein Kölner Gericht urteilt: Beschneidung ist Körperverletzung. Aber was ist mit der Religionsfreiheit?
… ist die der Religiösen, nicht die der Religion. Dabei hilft es durchaus, der einzelne Religiöse ist erwachsen und kann verstehen, was mit ihm passiert. Der Irrtum, Religionen dürften etwa Jungs verstümmeln, setzt auf die Extrawurstfabrik auf, die sich vorneweg die katholische Kirche in dieser vorgeblich säkularen Gesellschaft erfrömmelt hat. Es gibt keinen rechtsfreien Raum unter religiösen Käsehauben, es sollte weder konfessionelle Grundschulen, papstkonforme Profs, Kirchensteuer noch Zwangsbeschneidungen geben. Auch nicht bei Jungs.
Auf das Urteil hat niemand gewartet, nun droht Neugeborenen oder Vierjährigen der Vorhautmetzger im Hinterhof und uns eine fundamentalistische Fimose der Debatte: Moslemfeindlichkeit, Antisemitismus, und die Papisten werden sich einmischen, ihnen ist der Erhalt des Jungfernhäutchens so wichtig wie anderen der Verlust der Vorhaut. Es geht sie alle zusammen einen Dreck an. Das Gericht konnte nicht anders, ein harmloses und rückholbares Piercing dürfen sich hierzulande nur Volljährige stechen lassen. Nun die Peniskarte für die Politik: Man wird das auf medizinisch-hygienische Gründe umschulen und auf ein höheres Beschneidungsalter drängen.
Seit hundert Tagen ist Bundespräsident Gauck im Amt. Ihre Bilanz?
Der Islam gehört nicht mehr zu Deutschland, Friedensliebe ist glücksüchtige Feigheit, doch in Polen, Holland und Israel macht er einen netten Eindruck. Vielleicht kann er sich ganz aufs Ausland konzentrieren.
Am Freitag wird voraussichtlich das Urteil gegen die Ex-RAF-Terroristin Verena Becker gesprochen. Wie wichtig ist dieses Verfahren für die deutsche Geschichte?
Nebenkläger Bubacks Theorie, wonach westliche Dienste die Finger drinhatten, scheint untergepflügt. Damit ergibt sich ein roter Faden zu den Zwickauer Mördern, wo ebendieser Aspekt auch schön ignoriert wird.
Seit fünf Jahren gibt es nun das iPhone. Doch noch immer gibt es Menschen, die einfach nur ein normales Handy haben. Diese Fortschrittsverweigerer?
Ich warte immer, bis ein, zwei Generationen Versuchskaninchen viel Geld bezahlt haben, die Kinderkrankheiten von Novitäten auszumendeln.
Ein Referatsleiter beim Verfassungsschutz vernichtet Akten über die verdeckte Ermittlungen zur Zwickauer Terrorzelle. Was soll man davon halten?
Ein Verfassungsschützer war beim Mord im Kasseler Internetcafé dabei, um die Ermordung einer Polizistin in Heilbronn schwirren Agentengeschichten, nun ein Solo am Reißwolf. Die finden eher Kinderporno auf gelöschten Festplatten als ihre eigenen Unterlagen. Kurz: Wenn hier von „Versagen“ die Rede ist, verharmlost dies vermutbare „Absicht“.
Spanien und Italien solle Milliardenhilfen ohne scharfe Auflagen nach griechischem Vorbild erhalten. Unfair?
Solange ich lebe.
Und was machen die Borussen?
Jürgen Klopp begrüßt die Ansetzung des ersten Spieles gegen Bremen gewohnt nüchtern als „einen Wahnsinn für uns alle“. Ähnlich der Dortmunder Coach zum Wetter: „Unfassbar geil, ein irres Gefühl, immer dieses Wetter!“ und zu dem Umstand, dass in China ein Sack Reis umgefallen sei: „Der absolute Megahammer, wir werden eine Woche durchfeiern, ich bin so stolz auf unsere Fans.“
Fragen von Cigdem Akyol
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr