Kommentar Clintons Niederlage: Verbittert und planlos
Nun werden sie doch angerechnet, die Wählerstimmen aus Florida und Michigan. Clinton hat das nichts genützt, sie will den Beschluss anfechten. Schlecht für die Demokraten.
Adrienne Woltersdorf ist Korrespondentin der taz in Washington
Die US-Demokraten haben es geschafft, einen explosiven Streit mit einer halbwegs akzeptablen Kompromisslösung beizulegen. Am Wochenende einigte sich die Partei darauf, nur die Hälfte der umstrittenen Delegiertenstimmen der Bundesstaaten Florida und Michigan zu werten. Gemäß der Parteisatzung hätten beide Bundesstaaten keinen Anspruch darauf erheben können, dass ihre Vorwahlergebnisse anerkannt werden, da sie schlicht gegen die zuvor abgemachten Regeln verstoßen und ihre Wahltermine zu früh angesetzt hatten.
Der Kompromiss ist ein klares Votum für Barack Obama, dessen Nominierung nun gesichert ist, und eine Niederlage für Hillary Clinton. Dass die ehemalige First Lady dennoch ankündigen ließ, den Beschluss möglicherweise anzufechten, lässt nichts Gutes ahnen.
Denn: Schon jetzt haben die Demokraten wertvolle Zeit mit dem zähen Vorwahlkampf verloren. Während die gegnerischen Republikaner und ihr Kandidat in spe, John McCain, sich in aller Ruhe auf das Spendensammeln und die Strategien für die Präsidentschaftswahl im November konzentrieren können, muss Obama einen zermürbenden Zweifrontenkampf gegen Hillary und McCain führen. Clintons Beharren darauf, die bessere Präsidentschaftskandidatin für die Demokraten zu sein, schadet nicht nur ihrem Konkurrenten, sondern ihrer gesamten Partei. Statt sich dem Urteilsspruch zu beugen und sich demonstrativ hinter Obama zu stellen, droht Clinton weiterhin mit innerparteilichem Kampf.
So wird der Kompromiss zwar den leidigen Delegiertenstreit vorerst beilegen. Die Bitterkeit jedoch, die das Clinton-Wahlteam geschickt erzeugt und nährt, kann die Partei schon jetzt kaum noch überwinden. Nicht nur hat Clinton für sich persönlich eine weitere gute Gelegenheit verpasst, in Würde aus dem Wahlkampf auszusteigen. Auch für die Demokraten selbst wird es immer schwieriger, die entstandene Spaltung noch rechtzeitig vor dem Wahlkampf gegen McCain zu kitten.
ADRIENNE WOLTERSDORF
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