Kommentar Clements Entschuldigung: In der Logik des Verfahrens
Wolfgang Clement ist über seinen Schatten gesprungen. Nun sollen seine Gegner abrüsten.
Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der Taz.
Für seine Verhältnisse ist der frühere Wirtschaftsminister Wolfgang Clement gestern über seinen Schatten gesprungen. Nach drei Tagen ist er der Aufforderung der SPD-Führungsgremien gefolgt, die Gegner im Streit über seinen möglichen Parteiausschluss mögen doch die Brücken auch betreten, die man ihnen baue. Er gehorchte damit der Logik des Verfahrens: Der Vorwurf, er habe mitten im Wahlkampf zur Nichtwahl der eigenen Spitzenkandidatin aufgerufen, war der sachlich begründete Kern der gegen ihn erhobenen Vorwürfe.
Damit dementierte Clement seine eigene Darstellung, es gehe bei dem angestrebten Parteiausschluss nur um den SPD-internen Richtungsstreit. Natürlich ging es zumindest einem Teil seiner Gegner genau darum. Aber der Exminister hatte mit seinem Nichtwahl-Aufruf die Vorlage dafür geliefert. Wäre er jetzt stur geblieben, hätte er einen Parteiausschluss provoziert, der genau danach ausgesehen hätte: nach einer innerparteilichen Säuberung aus inhaltlichen Gründen - und damit nach einer Wiederholung der Reinigungsprozesse aus den Siebzigerjahren, nur unter umgekehrten flügelpolitischen Vorzeichen.
Dazu wird es jetzt nicht kommen. Deshalb war der gestrige Tag ein guter Tag für die innerparteiliche Demokratie in Deutschland. Auch Clements Gegner sollten jetzt rhetorisch abrüsten. Mit seinen Äußerungen zur Energiepolitik bewegt sich Clement, zumindest in Bezug auf die Atomkraft, zwar nicht im Einklang mit der aktuellen Beschlusslage der SPD, er vertritt aber Positionen, die früher einmal als sehr sozialdemokratisch galten.
Bei der Agenda 2010 liegt Clement sogar auf der noch immer gültigen Parteilinie - wenn auch bisweilen in einer rüden Tonlage. Als "menschenverachtend" lässt sich die Abschaffung einer Sozialleistung wie der alten Arbeitslosenhilfe, die es in keinem anderen Land der Welt gab, jedenfalls schwerlich bezeichnen. Zweifellos muss die SPD die Diskussion führen, wie sie zu den Leistungen ihrer eigenen rot-grünen Regierungszeit steht. Ein Parteiausschluss aber wäre dazu das falsche Mittel.
RALPH BOLLMANN
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