Kommentar China: Die Früchte der Landreform

Die Zahl der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, ist in China gesunken. Trotz einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. Ein Grund dafür: die sozialistische Landreform.

Normalerweise fällt das Zentralkomitee der KP Chinas nur Tendenzbeschlüsse, und die im Geheimen. Es passiert selten genug, dass es der Welt etwas Konkretes mitteilt. Doch jetzt hat das höchste Führungsgremium der Volksrepublik bekannt gegeben, dass nur noch 15 Millionen Chinesen unter der Armutsgrenze leben. Auf diese Nachricht ist man in Peking verständlicherweise sehr stolz.

Natürlich lässt sich diese Zahl relativieren. Zum einen sind 15 Millionen immer noch sehr viele Menschen. Und obwohl die chinesische Regierung ihre offizielle Armutsgrenze zuletzt den üblichen Armutsberechnungen der Weltbank angepasst hat, decken sich die Angaben immer noch nicht vollständig: Nach Maßstäben der Weltbank könnte die Zahl also noch um einige Millionen höher liegen. Auch kann diese Zahl nicht verdecken, dass die Kluft zwischen Arm und Reich in China derzeit dramatisch wächst - und damit das Potenzial sozialer Konflikte.

Dennoch ist diese Zahl eine kleine Sensation. Erst vor wenigen Jahren stufte China noch 80 Millionen seiner Bürger unter der Armutsgrenze ein. Stimmen die Angaben des ZK, dann ist es China gelungen, die ärgste Armut in breiten Bevölkerungsschichten weiter einzudämmen - und das in einer Zeit, in der die Ziele der Vereinten Nationen zur Armutsbekämpfung längst als unrealistisch angesehen werden und im Zeichen der weltweiten Finanzkrise eine Zunahme der Armut droht.

Verknüpft ist dieser Erfolg mit der chinesischen Landreform, Chinas letztem sozialistischem Dogma. Laut Verfassung gibt es immer noch keinen privaten Landbesitz - stattdessen haben 250 Millionen chinesische Haushalte jeweils auf Lebenszeit des Familienoberhaupts ein kleines Stück Land vom Staat gepachtet. Viele Reformer argumentieren, den Bauern müsse gestattet werden, ihr Land zu verkaufen, um die chinesische Landwirtschaft zu modernisieren. Dafür wollen sie den Bauern zunächst den Privatbesitz über das Land sichern. Doch die Partei hat dazu wieder mal nein gesagt.

Die Landreform bildete vor 30 Jahren einmal den Beginn der kommunistischen Armutsbekämpfung. Das Rezept scheint aber heute noch Früchte zu tragen.

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Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.

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