Landreform in China: KP entdeckt die Bauern wieder
Die KP schreckt bei ihrer Landreform vor der Privatisierung der Böden zurück, weil Bauern zu verarmen drohen. Nun soll die Verpachtung von Land erleichtert werden.
Genau vor 30 Jahren hat eine Tagung des Zentralkomitees der KP Chinas die Kulturrevolution beendet und erste Marktreformen unter der Ägide von Deng Xiaoping verfügt - und zwar im Agrarsektor. Umso größer waren deshalb die Erwartungen an die ZK-Tagung in diesem Jahr. Erneut sollte über die Bauernfrage entschieden werden. Schon vorab verkündeten die offiziellen Medien eine neue Ära für Chinas 700 Millionen Landbewohner und zogen Vergleiche mit den Beschlüssen von 1978. Doch was die offizielle ZK-Resolution am Sonntag verlautbarte, schien gar nicht den Erwartungen zu entsprechen: "Der Hauptinhalt des vom ZK verabschiedeten Papiers besteht darin, dass das jetzt gültige Landnutzungsrecht der Bauern so bleibt und auch langfristig gelten wird", kommentierte am Montag das Pekinger Wochenmagazin China Newsweek.
Sind das schon Folgen der weltweiten Finanzkrise? Hat sich das ZK in letzter Minute von der geplanten Privatisierung für das Land der Bauern abgewandt und auf der alten sozialistischen Landverteilung bestanden, die bis heute einen kleinen Acker für jeden der 250 Millionen ländlichen Haushalte Chinas vorsieht?
Shang Dewen winkt ab. Der emeritierte Marxismusprofessor der Universität Peking sieht in dem öffentlichen Wirbel um die diesjährige ZK-Tagung nur ein schlechtes Remake von 1978. Die KP wolle mal wieder wichtig tun, als ob sie noch über das Schicksal von 700 Millionen Bauern verfügen könne, sagt Shang. In Wirklichkeit habe die KP keine klare Landpolitik. Sie weigere sich, das Land zu privatisieren und damit den Bauern alle Entscheidungsrechte über das Land zu übertragen. Stattdessen lasse die Partei versteckte Spielregeln gelten, bei denen Dorf- und Provinzkader oft mehr das Sagen hätten als die Bauern selbst, sagt Shang. Nur eines gesteht er der KP zu: Der Zeitpunkt, erneut über die Bauernfrage zu reden, sei jetzt goldrichtig. Denn natürlich warte die krisengeplagte Weltwirtschaft heute auf 700 Millionen neue chinesische Konsumenten. Mit denen müsse China jetzt wuchern, sagt Shang.
Genau das tut die KP. Eine neue Landreform, die Privatisierung der Böden, wagt sie nicht. Sie hat Angst davor, dass die Bauern ihr Land verkaufen und besitzlos werden. 300 Millionen zusätzliche Landflüchtlinge könnte es dann geben, haben Experten gewarnt. "Der Landverkauf könnte in der heutigen politischen Struktur dazu führen, dass die Mächtigen in der Stadt die Schwachen auf dem Land ausrauben", schreibt China Newsweek. Also belässt man es bei den bestehenden lebenslangen Pachtverträgen für die Bauern. Doch soll es mehr Möglichkeiten geben, das Land zu verpachten und in landwirtschaftliche Gemeinschaftsunternehmen einzubringen. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua sieht bereits in diesen Maßnahmen "die größte ökonomische Reform seit Jahren". Die Wirklichkeit ist wohl schlichter: Es gibt vor allem mehr Geld fürs Land, das den Konsum steigern soll.
Das Einkommen der Bauern müsse sich bis 2020 von heute 415 Euro durchschnittlicher Jahresverdienst verdoppeln, und es müsse die letzte Armut auf dem Land beseitigt werden, verfügt die ZK-Resolution. Das sind die einzig klaren Zielvorgaben. Ein Reformkonzept fehlt. "Die Landreform ist viel komplizierter als die Durchsetzung der Schulpflicht, der Aufbau der Krankenversicherung oder die Abschaffung der Agrarsteuer", schreibt Zhao Jianhua in einem offiziellen Kommentar der China Newsagency zum Ergebnis der ZK-Tagung. Er lobt "Vorsicht und Flexibilität" der KP und zitiert auch das Motto der diesjährigen Tagung: "Am wichtigsten ist, Chinas eigene Sache gut zu machen." Das klingt, als höhnte man der internationalen Krise.
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