Kommentar China-Zensur der Buchmesse: Wahrnehmung und Wirklichkeit
Einen zum Thema "Zensur und Selbstzensur" vorgesehenen Redner wieder auszuladen, verletzt hiesige Prinzipien von Meinungsfreiheit und kritischer Debatte.
C hinesen beklagen oft, welch schlechte Presse ihr Land in Deutschland habe. Dabei sorgen Chinas Funktionäre selbst immer wieder für negative Schlagzeilen. Jüngstes Beispiel ist die Frankfurter Buchmesse. Bei einem von ihr am Wochenende geplanten Symposium zu "China und die Welt - Wahrnehmung und Wirklichkeit" sorgte Peking dafür, dass zwei kritische Autoren ausgeladen wurden. Wer China bisher als Land der Zensur wahrnahm, fühlt sich durch die jetzt erlebte Wirklichkeit bestätigt.
China hat damit eine Chance vertan, der deutschen Öffentlichkeit ein positiveres Bild zu vermitteln. Das ist dumm, doch für Pekings Kulturfunktionäre offenbar zweitrangig. China zelebriert in diesen Wochen den 60. Gründungstag der Volksrepublik, und da werden kritische Stimmen noch weniger geduldet als sonst.
Der größere Skandal ist, dass die chinesische Wirklichkeit jetzt auf die Veranstalter der Buchmesse abfärbt. Statt Pekings Zensurforderungen Paroli zu bieten und China die Prinzipien klarzumachen, unter denen in Deutschland diskutiert wird, knickten die Messeveranstalter ein und bekamen plötzlich Angst vor der eigenen Courage. Es sieht aber nicht nur dumm aus, einen zum Thema "Zensur und Selbstzensur" vorgesehenen Redner wieder auszuladen, sondern verletzt auch hiesige Prinzipien von Meinungsfreiheit und kritischer Debatte. Gewiss ist der Umgang mit autoritären Partnerländern schwierig und erfordert Kompromisse. Ein solcher war etwa, dass die jetzt Ausgeladenen keine Hardcore-Dissidenten waren. Doch mit der Ausladung kritischer Intellektueller untergräbt die Buchmesse ihre eigenen Fundamente.
Das Argument, die Ausgeladenen könnten bei der Messe selbst auftreten, zeigt ein merkwürdig zwiegespaltenes Verständnis: Für das Messepublikum wird Meinungsfreiheit zelebriert, bei der Dialogveranstaltung mit dem Partner der Kotau gemacht.
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