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Kommentar: Chefs oder KollektiveAuch die taz hat verdeckte Hierarchien

Kommentar von Miriam Nagels

Es gibt Hierarchien, auch in der taz. Die sind wichtig, damit am nächsten Morgen die Zeitung mit qualitativen Texten gefüllt ist.

H ierarchien gibt es nicht in der taz. Das könnte man meinen, wenn man das Haus betritt: Die Wände der Großraumbüros sind gläsern, und jeder Mitarbeiter kann also seinen KollegInnen, egal welcher Position, bei der Arbeit über die Schulter schauen. Alle Mitarbeiter duzen sich vertraut, allgemein herrscht eine lockere, spaßige Stimmung wie unter Freunden und Bekannten. Auch als PraktikantIn scherzt man fröhlich mit, und es macht nicht den geringsten Anschein, dass hier irgendjemand über dem anderen steht oder einige Personen dieses großen Freundeskreises mehr zu sagen haben sollten als andere.

Dass die taz aber kein Kollektivbetrieb ist, zeigt sich spätestens beim Lesen der Aufschrift "Chefredaktion" an einer Tür im Treppenhaus. Auch dieser Laden kommt also nicht ohne Hierarchien aus: Die Ressorts haben ihre jeweiligen Ressortleiter, die die letzte Entscheidung treffen und die Fäden zusammenhalten. Das ist auch notwendig, um nicht im Chaos zu versinken in einem Haus, in dem die Arbeitsstruktur darauf angelegt ist, dass Personen jeder Position etwas sagen dürfen und Ideen einbringen können. Nur Kaffee kochen und kopieren ist PraktikantInnen der taz zum Beispiel völlig unbekannt. Denn sie werden einbezogen und haben ein gewisses Maß an Verantwortung zu tragen.

Dass auch Mitarbeiter mit weniger Diensterfahrung sich äußern dürfen, zeigt sich in der morgendlichen Blattkonferenz: Jeder kritische Beitrag ist willkommen. Auf ebendieser Blattkonferenz wird aber auch deutlich, dass es sie gibt, die DiskussionsführerInnen, die häufig zu Wort kommen, das Gespräch dominieren und mehr zu sagen haben. Oder jedenfalls meinen, dass dies der Fall ist. Da sind sie also wieder, die Hierarchien in der taz.

Sie existieren, auch wenn man sie vordergründig zunächst nicht wahrnimmt. Im Rahmen der "freundlichen Übernahme" wird dies für die unerfahrenere Übernehmerin dann aber sehr präsent: Plötzlich hat man sehr viele Entscheidungen zu treffen, erkennt hierarchische Strukturen, die man zuvor nie wahrgenommen hat. Es wird deutlich: Es gibt Hierarchien, die wichtig sind, damit am nächsten Morgen die Zeitung mit qualitativen Texten gefüllt ist.

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2 Kommentare

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  • MS
    Michael Sontheimer

    Die taz hat nicht nur verdeckte Hierarchien, sondern offene, nämlich offizielle, und die scheinen für taz-Mitarbeiter mittlerweile wichtiger zu sein als das in anderen Zeitungen der Fall ist. Jedenfalls gibt es in der taz laut Impressum einen Chefreporter; heute zieren die Seite eins die alte Chefredakteurin und die neue Chefredakteurin. Das nachhaltige Gechefe ist etwas peinlich, finde ich. Und unerheblich erscheint auch die verhaltene Klage der Jüngeren, dass sie gegen die Etablierten der taz nicht so recht zum Zuge kämen. Kommt es nicht vor allem darauf an, ob und was, wer - wie alt auch immer - zu sagen hat?

  • A
    Anna

    Die "freundliche Übernahme" erwähnen sie mir ein bisschen zu oft das macht mir sorgen.

     

    War die Übernahme vielleicht doch nicht ganz so freundlich?