Kommentar Castor-Transporte: Vielleicht nicht legal, aber legitim
Die Abwägung, ob Formen zivilen Ungehorsams gegen Castor-Transporte sinnvoll und gerechtfertigt sind, muss jeder im Einzelfall moralisch für sich selbst treffen.
B ei der Bewertung gesellschaftlicher Fragen ist es manchmal nötig, zwischen juristisch legalen und moralisch legitimen Abwägungen zu unterscheiden. Fragen wir also: ist es legitim, in Folge moralischer Abwägungen auch eine Straftat zu begehen? Die Antwort ist: kommt darauf an. Kann nun aber das Schottern von Gleisbetten beim Castor-Transport legitim sein? Ich meine: ja.
Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung lehnt die Atomkraft ab. Vor dem Hintergrund einer skandalösen Vorgeschichte ungeklärter Fragen und vertagter Antworten - etwa zur Endlagerfrage - gründet diese Ablehnung nicht auf einem Bauchgefühl, sondern ist rational und begründet. Bei der Entscheidung für Gorleben wurde getäuscht, bei der Suche nach Lagermöglichkeiten gewartet - und noch immer ist keine Lösung in Sicht. Stattdessen diskutiert die Bundesregierung lediglich darüber, um wie viele Jahrzehnte sie die gefährlichen AKWs weiter strahlen lassen will, obwohl es längst Alternativen gibt.
Da zeugt es von einem gesunden Demokratieverständnis, wenn BürgerInnen bereit sind, auch persönliche Risiken in Kauf zu nehmen, um der Bundesregierung Beine zu machen, ihrer Verpflichtung nachzukommen und eine Lösung für das Problem zu finden. Dazu zählen auch die Pläne, die Gleisbetten beim Castor-Transport friedlich und massenhaft vom Schotter zu befreien. Solange gewährleistet bleibt, dass der Protest gegen die Castor-Transporte friedlich bleibt und sich die Gewalt zu keinem Zeitpunkt gegen Polizeibeamte, sondern ausschließlich gegen den Schotter richtet, können solche Aktionen legitim sein, auch wenn es sich dabei - streng juristisch betrachtet - um Straftaten handeln könnte.
Die Abwägung, ob solche Protestformen sinnvoll und gerechtfertigt sind, muss jeder im konkreten Einzelfall moralisch für sich selbst treffen. Eine Gesellschaft lebt von denkenden Einzelnen. Das gilt auch für zivilen Ungehorsam.
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