Kommentar Castor-Protest: Ein bisschen Friedenswille
Niemand muss Angst haben, im Showdown zwischen Protestlern und Polizei zwischen die Fronten zu geraten. Auf beiden Seiten fehlt der Wille, es zum Äußersten kommen zu lassen.
A n diesem Wochenende werden in Niedersachsen die größten Castor-Proteste in der Geschichte des Wendlands erwartet. Und, entgegen so mancher Befürchtung: Sie dürften überwiegend friedlich ausfallen.
Natürlich: Ein paar militante Szene-Machos, die im Schutz der Nacht ihre bengalischen Feuer feiern, wird es auch in diesem Jahr wieder geben. Doch auch wenn vermutlich autonome Atomgegner am Montag in Berlin einen Brandanschlag auf die S-Bahn verübt haben wollen und auch wenn, auf der anderen Seite, die Polizei bereits mit der Drangsalierung von Widerstandscamps und Proteststrukturen im Wendland begonnen hat - die Zeichen stehen insgesamt nicht auf Eskalation. Niemand muss deshalb Angst haben, im Showdown zwischen Protestlern und Polizei südlich der Elbe zwischen die Fronten zu geraten, und auf die Anreise verzichten. Denn auf beiden Seiten fehlt der Wille, es zum Äußersten kommen zu lassen.
Der jahrzehntelange Widerstand im Wendland ist nur deshalb so erfolgreich, weil er seit seinen Anfangstagen darauf setzt, dass keine Menschen zu Schaden kommen dürfen. Und auch die Polizei weiß sehr wohl zwischen versprengten Autonomen und anderen Aktionsgruppen wie der Sitzblockade und der teils linksradikalen Kampagne "Castor schottern" zu unterscheiden.
Auffallend deutlich hatten Polizeigewerkschafter in den letzten Wochen zudem betont, dass sie nicht mehr ihren Kopf für eine umstrittene Durchdrückpolitik à la Stuttgart 21 hinhalten wollen. Die Regierungen in Berlin wie in Niedersachsen wären gut beraten, auf diese Warnungen zu hören. Denn Angela Merkels CDU kann sich ein zweites PR-Desaster wie die Bilder von polizeilichen Prügelorgien von Stuttgart politisch nicht leisten. Im Gegenteil: Wer sich so sehr in der Defensive befindet wie die Bundesregierung derzeit in der Atomfrage, der muss sich auf möglichst leisen Sohlen bewegen. Szenen wie in Stuttgart wird sie daher zu vermeiden suchen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin