Kommentar Castor-Protest: Ein bisschen Friedenswille
Niemand muss Angst haben, im Showdown zwischen Protestlern und Polizei zwischen die Fronten zu geraten. Auf beiden Seiten fehlt der Wille, es zum Äußersten kommen zu lassen.
A n diesem Wochenende werden in Niedersachsen die größten Castor-Proteste in der Geschichte des Wendlands erwartet. Und, entgegen so mancher Befürchtung: Sie dürften überwiegend friedlich ausfallen.
Natürlich: Ein paar militante Szene-Machos, die im Schutz der Nacht ihre bengalischen Feuer feiern, wird es auch in diesem Jahr wieder geben. Doch auch wenn vermutlich autonome Atomgegner am Montag in Berlin einen Brandanschlag auf die S-Bahn verübt haben wollen und auch wenn, auf der anderen Seite, die Polizei bereits mit der Drangsalierung von Widerstandscamps und Proteststrukturen im Wendland begonnen hat - die Zeichen stehen insgesamt nicht auf Eskalation. Niemand muss deshalb Angst haben, im Showdown zwischen Protestlern und Polizei südlich der Elbe zwischen die Fronten zu geraten, und auf die Anreise verzichten. Denn auf beiden Seiten fehlt der Wille, es zum Äußersten kommen zu lassen.
Der jahrzehntelange Widerstand im Wendland ist nur deshalb so erfolgreich, weil er seit seinen Anfangstagen darauf setzt, dass keine Menschen zu Schaden kommen dürfen. Und auch die Polizei weiß sehr wohl zwischen versprengten Autonomen und anderen Aktionsgruppen wie der Sitzblockade und der teils linksradikalen Kampagne "Castor schottern" zu unterscheiden.
Martin Kaul ist Bewegungsredakteur der taz.
Auffallend deutlich hatten Polizeigewerkschafter in den letzten Wochen zudem betont, dass sie nicht mehr ihren Kopf für eine umstrittene Durchdrückpolitik à la Stuttgart 21 hinhalten wollen. Die Regierungen in Berlin wie in Niedersachsen wären gut beraten, auf diese Warnungen zu hören. Denn Angela Merkels CDU kann sich ein zweites PR-Desaster wie die Bilder von polizeilichen Prügelorgien von Stuttgart politisch nicht leisten. Im Gegenteil: Wer sich so sehr in der Defensive befindet wie die Bundesregierung derzeit in der Atomfrage, der muss sich auf möglichst leisen Sohlen bewegen. Szenen wie in Stuttgart wird sie daher zu vermeiden suchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml