Kommentar CO2-Steuer Frankreich: Historischer Wortbruch
Die CO2-Steuer sollte Sarkozys große Reform werden. Jetzt hat er sich selbst als Schwätzer entlarvt.
S pärlich sind sie in der Pariser Regierung, die der versprochenen Klimasteuer ein paar Krokodilstränen nachweinen. Die Ankündigung, Frankreich werde eine solche Ökosteuer auf den Energiekonsum nur dann einführen, wenn sie zuvor in der ganzen Europäischen Union oder wenigstens in Form eines Umweltzolls auf Exporte in die EU verwirklicht ist, kommt dennoch einer Beerdigung erster Klasse gleich.
Diese CO2-Abgabe sollte eine Priorität sein, eine große Reform, die seine Amtszeit für die Nachwelt prägen würde. "Ich habe das unterschrieben, ich werde das machen. Das ist eine Frage der Aufrichtigkeit", hatte Staatspräsident Nicolas Sarkozy dazu noch vor wenigen Monaten gesagt und diese Initiative ohne Skrupel mit historischen Meilensteinen wie der Entkolonisierung oder der Abschaffung der Todesstrafe verglichen.
Das tönte ambitiös, sowohl von Linken als auch Grünen kamen Respekt und Beifallsbekundungen. Jetzt aber müssen sie einsehen, dass die großspurige Ansage nur ein Bluff war. Der "Macher" Sarkozy hat sich selber als Schwätzer entlarvt.
ist Frankreich-Korrespondent der taz.
Was für die Umwelt- und Klimapolitik gilt, die da nach einer Belastungsprobe bei Regionalwahlen wie lästiger Ballast abgeworfen wird, kann ja auch für den Rest zutreffen. Was sollen beispielsweise die Milchbauern davon halten, von denen 41.000 auf Fürsorge angewiesen sind, wenn ihnen der Präsident gestern versprochen hat, er riskiere lieber eine Krise mit der EU, als die gemeinschaftliche Landwirtschaftspolitik und ihre Subventionen in Frage zu stellen?
In der Regierungspartei UMP hat man auch verstanden, dass das Wort des Präsidenten für sie nicht mehr Befehl ist. Sie machen mit Erfolg Druck gegen Sarkozys Gesten der Öffnung. Mit der Berufung linker Prominenter in die Regierung und andere Spitzenpositionen ist Schluss. Vielleicht sind die Franzosen um ein paar Illusionen ärmer. Für Sarkozy schlägt die Stunde der Wahrheit und der Aufrichtigkeit, von der er so oft und gern gesprochen hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod