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Kommentar CIA-FolterObama liefert Munition für Folterer

Kommentar von Christian Semler

Obamas Entschluss, den CIA-Folterern Straffreiheit zuzusichern, ist politisch verheerend. Die Agenten müssen unbedingt vor Gericht.

P räsident Barack Obama hat entschieden, Angehörige der CIA, die sich im "Krieg gegen den Terror" der Folter schuldig gemacht haben, von einer Strafverfolgung freizustellen. Dieser Entschluss ist rechtlich problematisch, vor allem aber politisch verheerend.

Juristisch handelt es sich beim Folterverbot um eine völkerrechtliche Fundamentalnorm, die nicht mit Rücksicht auf "nationale Interessen" suspendiert werden kann. Politisch bedeutet die schützende Hand des Präsidenten, dass der Einsatz für die internationale Geltung der Menschenrechte weiter Schaden erleidet.

Obamas Entscheidung liefert denjenigen Machthabern, die die Geltung der Menschenrechte in ihrem Herrschaftsbereich mit dem Argument ablehnen, die westlichen Demokratien würden bei Menschenrechtsverletzungen mit zweierlei Maß messen, neue Munition. Die Folterer selbst verteidigen sich mit dem Hinweis auf Rechtsgutachten des US-Justizministeriums zur Verhörpraxis aus den Jahren 2002-2005. Diese "Memos" sind gestern von Obama vollständig veröffentlicht worden. Sie untermauern die Rechtmäßigkeit "verschärfter Verhöre" und legen deren Umfang fest. Und sie statuieren, dass der Präsident freie Hand habe, das Folterverbot nach seinem Dafürhalten außer Kraft zu setzen.

Obama hat in seiner Erklärung zur Veröffentlichung der "Memos" festgestellt, dass die CIA-Folterer sich auf diese Gutachten verlassen konnten und deshalb im guten Glauben gehandelt hätten. Aber Gottgläubigkeit ist bei offensichtlichen, jedermann/frau als Folter erscheinenden Verhörmethoden wie dem Waterboarding ausgeschlossen. Weshalb eigentlich nur eine Schlussfolgerung bliebe: Nicht nur die CIA-Folterer müssen vor Gericht, sondern auch die Juristen, die sie mit rechtswidrigen Rechtfertigungen versorgten.

In seiner Erklärung verteidigte Obama seinen Entscheid damit, "dass in Zeiten großer Herausforderung und erschreckender Uneinigkeit nichts gewonnen werden kann, wenn wir unsere Zeit und Energie darauf verschwenden, die Vergangenheit zu verurteilen". Wie vertraut dieses Argument klingt - und wie wenig es stets genutzt hat.

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24 Kommentare

 / 
  • IH
    ich hier

    Pinochet hätte diese Argumentation sicher gefallen.

  • S
    Scanner

    Auf den ersten, zweiten und dritten Blick ist die Entscheidung von Obahma schwer enttäuschend. Auf den vierten Blick könnte es jedoch eine ihm "abgerungene, aufgedrängte" Entscheidung sein. Denn er würde sich ansonsten gegen die CIA wenden, eine Organisation, die sich zu behaupten weis, mit allen Mitteln. Zu erinnern ist an die Konfliksituation Kennedys mit der CIA, die ja selbst in den USA zu Schlussfolgerungen über den Tod Kennedys geführt hat. Insofern stimme ich Clara zu; aber es geht nicht nur um das politische Überleben von Obama. Urban Priol hat - angesichts der zu erwartenden Konfrontationen Obamas mit Bush-Hinterlassenschaften und der CIA gebetet, Obama möge ein langes Leben habe.

    Insofern wird die Obama-Administration auf Verharmlosungen der ("angeblichen") Folter zurückgreifen müssen, wie sie Cicero im Kommentar vom 19.04. bereits anbietet.

  • GF
    gert fiedler

    @Dieter Reinhold

    die verurteilung der nazischergen war richtig.

    richtig ist auch, das deutschland den krieg verloren hat.

    ebenso richtig ist, das die usa den krieg gegen diverse moslimische staaten gewonnen haben.

    ebenfalls richtig ist, das immer der sieger die geschichte schreibt, also immer und ausschließlich seine wahrheit überbleibt.

    wobei ich im falle deutschlands die usa noch positiv sehe.

  • MS
    M. Seiler

    Wenn die Ausführenden Schergen vor Gericht gestellt werden, ist das nur eine halbe Sache. Die Drahtzieher müssen vor Gericht. So wie es die USA als "Weltpolizist" auch seit über 60 Jahren machen. Also, Herr Bush und Konsorten sollten sich schon einmal Anwälte besorgen.

  • G
    godde

    Folter stellt nicht nur ein abscheuliches Verbrechen dar, sondern ist auch ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Auch amerikanische Präsidenten werden das Recht nicht auf Dauer außer Kraft setzen können. Es ist an uns, und es ist eine Aufgabe für die demokratischen Institutionen, dem Recht zur Geltung zu verhelfen. Dort wo Obama kneifen möchte, müssen wir Wege finden, von außen zu intervenieren. Internationale Haftbefehle gegen die Folterknechte und die entsprechenden Schreibtischtäter würden diese nicht wirklich schmerzen, wären aber doch eine nette kleine politische Geste. Solche und ähnliche kleine Nadelstiche sind längst überfällig.

  • PB
    P. B.

    Gerade in den USA bekommen Menschen schon für Lapalien, die eigentlich keinem wehtun, Millionen Dollar Strafe oder Jahre Knast (siehe leichte Computer-"Kriminalität").

     

    Jeder einzelne CIA-Folterer hätte wissen müssen, dass das, was er tut, nicht mit der Menschenwürde vereinbar sein kann. So sehr darf man sich nicht auf Rechtfertigungen und Urteile aus einem Justizministerium verlassen. Und die Befehlskette darf nicht vor Strafe schützen. Das Aufräumen muss allerdings in der Regierung, dem Militär, den Geheimdienstverwaltungen und im Justizministerium beginnen, wo schließlich die Befehle ausgegeben wurden!

  • HK
    hasan karincali

    Was seid Ihr alle für Scheinheilige!

    Schaut doch mal selbst auf euren rechtsradikalen Justizapparat und deren Unterdrückungs- und Foltermethoden.

    Und übrigens was ist mit eurem Merkel, die sich bedingungslos und in allem hinter Bush stellte???

  • C
    Cicero

    Interessant zu sehen, wie sich der blanke Antiamerikanismus hier Bahn bricht. Präsident Bush hatte als gewählter Präsident nach dem Attentat des 11.09.2001 angeordnet, ein spezielles Gefangenenlager außerhalb der USA einzurichten und Terrorverdächtige dort zu inhaftieren und teilweise robust zu verhören. Diese drastische Vorgehensweise war nur möglich auf Grund der Tausende von Toten infolge der Attentate auf das World Trade Center. Ein großer Teil der Amerikaner lehnte und lehnt diese Methoden ab und auch höchste amerikanische Gerichte haben Teile davon für rechtwidrig erklärt. Diese Verhörmethoden gelten nach Meinung Vieler als Folter. In Deutschland gilt bereits die Nötigung gegenüber einem Häftling als Folter. Die inzwischen bekannt gewordenen Methoden waren darauf ausgerichtet, Terrorverdächtige zu verängstigen aber nicht ernsthaft zu verletzen. Die robusten Verhörmethoden wurden nur in relativ wenigen Fällen angewandt. Die eingesetzten Beamten mögen in Einzelfall gegen ihre Dienstpflichten verstoßen haben, handelten aber insgesamt nach rechtstaalichen Prinzipien. Sie als Folterknechte zu bezeichnen und mit Nazi-Schergen zu vergleichen ist grotesk. In deutschen KZ wurden völlig Unschuldige auf bestialische Art gefoltert und zu Millionen ermordet. Für diese Vergleiche schäme ich mich. Es ekelt mich, dass vielleicht einige Amerikaner hier so etwas lesen müssen.

  • M
    Martin

    Ein sehr guter Kommentar, Herr Semler, und ein schockierender Vorgang angesichts der nun offenen Liste jahrelanger Grausamkeiten der CIA, sich mit diesem Zertreten der Menschenrechte als Präsident der USA ohne jeden Respekt vor den Opfern faktisch zu solidarisieren. Was für eine Anmaßung, ohne jeden Gedanken an die Schreie der Gequälten den Mantel des Vergessens über die Verbrechen senken zu wollen? I have a dream, Mr. Obama, with you on the waterbed. Nur für 5 Minuten. Ein amerikanischer Journalist hatte es ja einmal ausprobiert und dann sein Entsetzen formuliert, genau wie wir jetzt entsetzt sind. Und dann noch die Hybris, sich über dieses Leiden in menschenverachtender Weise hinwegzusetzen, mit dem Nazi-Argument des Befehlsnotstandes. Yes, we can. We can hate torture forever, Mr. President.

  • K
    kaleb

    Also Klara - wenn der Rückhalt dieses Obamas aus Leuten besteht, die Folter billigen, welche Verbesserungen erwartetst Du dann von denen?

    Sicher kann er nicht alles von heute auf morgen ändern, aber das darf nicht zur Inkonsequenz verleiten.

    Aber einen Vorteil hat die Sache doch:

    Sie spricht ganz und gar für sich selbst...

  • O
    Oho!

    Hier schießen die Komentatoren aber weit übers Ziel! Das Obama diesen ideal-politsch verwerflischen Schritt der macht-politisch verständlich ist, getan hat, setzt ihn lange noch nicht mit Busch gleich! Busch hat die Welt, Völkerrechtlich, vor den zweiten Weltkrieg zurück geworfen, das kann Obama nicht in zwei Wochen Kitten aber Obama ist kein Heiliger. Wer das dachte war so wie so, vollkommen daneben.

  • O
    Otri

    Obamas Entscheidung mag von außen betrachtet verwerflich klingen. Aber innenpolitisch hätte er nichts leider besseres machen können. Die positiven Änderungen, die er hoffentlich anstrebt, geschehen einfach nicht von heute auf morgen. Die Amerikaner müssen langsam daran gewöhnt werden.

  • MS
    mario seifert

    das passiert wenn alle welt einen menschen erst zu schwarzen präsidnten macht und dann erkennt das er dochin erster linie ein amerikanischer präsident ist.

  • W
    wolfgm

    Man sollte diese Folterstaaten und deren Helfershelfern weltweit isolieren.Diesen Abschaum kann man nicht tolerieren.Auf solche Freunde können Demokraten und Menschen verzichten.Die Pest über diesen Abschaum!!!!!!

    Denn vor ein Gericht wird man diese Verbrecher nicht bringen zumal unsere glorreiche Geldvernichtungsregierung mit diesem Abschaum paktiert.

    Gruß wolfgm

  • A
    Amos

    Wie immer wenn es darum geht die Mächtigen vor Gericht zu stellen, wird das Recht gebrochen und

    das Zweckdenken setzt ein. Ist man selber nicht in

    der Lage die Menschenrechte zu wahren, sollte man

    andere Nationen nicht für das gleiche Verbrechen anklagen. Hier gilt mal wieder: "Der Stärkste" entscheidet wer Unrecht hat. Und die Justiz, wie

    überall in der Welt, nur Handlanger der Mächtigen.

  • C
    Clara

    Wäre es nicht politischer Selbstmord, wenn Mr President Obama die Abschaffung der Nato oder die Verurteilung von CIA Folterern fordert.

    Würde er damit nicht die USA spalten?

    Wollen wir wirklich das dieser Mann sich so sehr selber schadet?

     

    Er hat die Folterknäste geschlossen und Folter verboten. Damit hat er uns allen einen großen Dienst erwiesen.

    Und er hat noch viel mehr Jobs zu erledigen, das kann er am besten mit einem starken Rückhalt in der US-amerikanischen Bevölkerung.

     

    Der Weg ist das Ziel, aber man sollte es sich auch nicht unmöglich machen ihn überhaupt gehen zu können.

     

    Mit meiner Position zu diesem Thema heiße ich übrigens in keiner Hinsicht Folter gut, bitte versteht mich nicht falsch.

    Die Mauerschützen der DDR sind auch verurteilt worden, also müsste diese auch bei allen anderen Menschen auf diesem Planeten so gehandhabt werden, die geschriebenes Gesetzt über Menschlichkeit stellen.

    Ich würde auch gerne jeden Folterer vor Gericht sehen.

     

    Aber wir sind in einer Welt wo Doppelmoral absolut an der Tagesordnung ist.

    Das wird auch Mr.President Obama nicht mit einem Fingerschnippen ändern.

    Ich denke wir schaden der Sache, wenn wir Taten von ihm erwarten, die seinen Rückhalt bei dem Volk was ihn gewählt hat schwächen.

  • S
    Sky

    Ja, die bösen Amis mal wieder...

     

    Die Formulierung mit der "Gottgläubigkeit" hat mir gut gefallen, eine klassische Freudsche Fehlleistung.

     

    MFG

  • V
    vic

    Dass er kneift ist enttäuschend, aber leider nicht überraschend. Die Folterknechte zur Rechenschaft zu ziehen ist absolut notwendig, aber lange nicht ausreichend. Die handelnden Personen selbst, deren direkte Vorgesetzte, deren Vorgesetzte u.s.w.

    Richter und Gerichte, über Rumsfeld zu Bush.

    Und das wagt nicht mal Obama, niemand würde das wagen.

    Es ist ein anderer Präsident, aber der Staat ist derselbe geblieben.

  • CK
    Christian Kriegsmann

    Oh mann.... Ich hatte letztens in einem Tagtraum so die Idee von nem coolen Hollywoodfilm. So a la "Wag the Dog". Son hübschen Verschwöhrungsfilm mit ernsten Tom Cruise Gesichtern und gestressten Frauen über die Machtergreifung einer bösen, unmenschlichen Administration und dann nach Jahren der "Versklavung" und Unzufriedenheit kommt der "Change" in Form von einem scheinenden, charismatischen (und jetzt kommt der Knaller), schwarzen Messias. (Ich erwähn jetzt sicherheitshalber mal doch, dass ich wirklich KEIN Rassist bin...). Change halt.. Soweit für Hollywood.

    Dann kriegt der Film hinten noch auf einmal so einen 10Minuten-Kick und man sieht die Drehbuchautoren.. und diese alten, trockenen Männer, die sich gegnseitig anschauen... und merkt dann wie diese Verschwörung immer der Masse, Politik, Ex-& Judicyative, den Medien immer einen Schritt voraus war.

    Und der neue Saubermann packt die ganzen Trümmer einfach nur noch ordentlich, in die vom Vorgänger errichteten BILLY-Regale.

     

    MUhahahahahaha......

     

    War nur mal son Gedanke....

     

    Diese bekloppten Tagträume "_"

  • PB
    peter becker

    Unser lieber Obama?!?

    Ach was haben wir Deutsche uns doch gefreut, endlich der fiese Bush weg und der charismatische, junge (?) Obama am Ruder. Wie toll der reden kann und aussieht und wie der alles ändern wird. Und jetzt. Irgendwie ist der doch ein Amerikaner: Afghanistan weiter militärisch lösen, Folterer bleiben straffrei (hallo, interessiert das jemanden außer der taz?), Drogenkrieg in Mexiko gewinnen mit MILITÄRhilfe (!) und so wird es weiter gehen. Waren wir da nicht irgendwie ein bißchen blauäugig und irgendwo partiell aus in einem gewissen Sinne rassistisch? Scheint so. Wir sollten ihn an seinen Taten messen, nicht an seinem Aussehen und deshaln mehr solche Artikel, es merkt ja sonst keiner wie viel George Doubleyou in Barack Hussein drin ist...

  • J
    Jupp

    Ich hatte Obama so verstanden das die CIA Mitarbeiter, die die Folter ausgeführt haben nicht belangt werden. Lässt das hoffen das diejenigen die die Memos iniziiert haben, und die Schreibtischtäter die die Rechtsbeugung begangen haben, noch belangt werden?

  • GD
    Gerhard Deml

    Tja, gestern noch Messias, heut Kandidat für den Goldenen Filbinger 2009.

    The Empire never changes.

  • PB
    Pater Braun

    Lieber Christian Semler, ich vermute mal, dass eine Anklage gegen CIA-Folterer nur dann glaubwürdig wäre, wenn auch die Befehlshaber angeklagt würden, also Bush, Rumsfeld und Co. Glauben Sie wirklich, dass das eine realistische Perspektive ist?

  • DR
    Dieter Reinhold

    Ist der von vielen Politikern zum Messias erkorene Präsident Obama auch nur eine Marionette? Oder war die Verurteilung der Nazischergen für ihre Taten in den Konzentrationslagern nur ein irrtümliches Unrecht.