Kommentar CDU: Zu plump
Auf ihrem Stuttgarter Parteitag hat sich die CDU um die Möglichkeit gebracht, eine Rote-Socken-Kampagne wieder aufzulegen. Doch die hätte auch ohnhin nicht mehr funktioniert.
Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.
Bemerkenswert zielstrebig hat die CDU auf ihrem Stuttgarter Parteitag zwei ihrer zentralen Wahlkampfthemen für das Jahr 2009 zerschossen. Das gilt nicht nur für die Debatte über Steuersenkungen. Nach dem Hin und Her um Termine und Konzepte für Kampagnen ist sie nun verbraucht. Es gilt auch für die Auseinandersetzung mit der Linkspartei, wo sich trotz aller Dementis eine Wiederauferstehung der Roten-Socken-Kampagne anbahnte. Wozu sonst hätte die CDU die Wahltermine just in jenen Ländern, in denen rot-rote Mehrheiten dräuen, mit teils brachialen Methoden auf einen Zeitpunkt vor der Bundestagswahl gelegt?
Diesen Plan hat sich die CDU nun zunichte gemacht, und zwar indem sie in ihrem Ostpapier für den Bundesparteitag weit in die Geschichte des SED-Regimes zurückblickte. Geradezu zwangsläufig beschwor sie damit die Frage herauf: Was eigentlich haben die Christdemokraten der DDR in dieser Zeit so getrieben? Dass die Debatte um Sachsen-Premier Stanislaw Tillich dessen Popularität den Umfragen nach sogar steigert, kann die Union nicht wirklich beruhigen. Es belegt nur einmal mehr, dass rückwärtsgewandte Attacken gleich welcher politischen Stoßrichtung vor allem Trotzreaktionen hervorrufen.
Daher hätte eine plumpe Anti-Links-Kampagne auch ohne den Stuttgarter Fauxpas nicht funktioniert. Ein Schreckbild ist die Linkspartei für die große Wählermehrheit längst nicht mehr - weder im Osten noch im Westen. Laut Umfragen begrüßen sogar Leute, die der Linken niemals ihre Stimme gäben, deren Existenz als politisches Korrektiv.
Zudem hat die Union zur Westausdehnung der damaligen PDS sogar aktiv beigetragen. Auf dem Leipziger Parteitag vor fünf Jahren schärfte sie ihr Profil als Partei des Adenauerschen Sozialstaats und verstieß darüber die bei zahlreichen Landtagswahlen hinzugewonnenen Anti-Agenda-2010-Wähler wieder. Ihnen muss Angela Merkel nun erklären, was hinter ihren Reden von sozialer Marktwirtschaft steckt und warum sie die Pläne der Linken für nicht realisierbar hält - in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit.
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