Kommentar CCS-Technik: Heimsieg in Jänschwalde
Gegner von CCS argumentieren unter anderem, es handle sich um eine Alibitechnik, um die Energiewende zu verzögern. Dieses Argument ist richtig, aber auch sehr deutsch.
E s mutet an wie die Idee, Atommüll auf den Mond zu schießen: Kohlendioxid aus der Luft filtern und in die Erde pressen, um das Klima zu retten. Jetzt hat Vattenfall seine Pläne, die sogenannte CCS-Technik in einem Braunkohlekraftwerk in Deutschland zu erproben, eingestampft. Jänschwalde - so der Name des geplanten Standorts - war Synonym der Hoffnung, man könne Kohlestrom und Klimaschutz vereinbaren.
Gegner von CCS argumentieren unter anderem, es handle sich um eine Alibitechnik, um die Energiewende zu verzögern. Damit mächtige Konzerne weiterhin große, zentrale Kraftwerke bauen können und ihre Macht auf dem Strommarkt behalten. Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen - aber es ist auch ein sehr deutsches Argument.
In der Bundesrepublik gibt es sowohl den politischen als auch den gesellschaftlichen Willen, auf regenerative Energien umzusteigen. CCS ist dabei Teil eines ökonomischen Rückzugsgefechts der alten Energie-Elite, mehr nicht. Doch die Frage, ob Kohle und Klimaschutz zu vereinbaren ist, stellt sich auf globaler Ebene nicht. Dort gilt der Satz: Kohle und Klimaschutz müssen vereinbar sein.
ist Redakteur im taz-Ressort für Umwelt und Wirtschaft.
Die Zukunft des Klimas wird nicht in Jänschwalde entschieden, sondern in China, Indien und Brasilien. Nach allen Prognosen reichen allein die dort im Bau befindlichen und geplanten Kohlekraftwerke aus, um alle Bemühungen um eine Reduktion der CO2-Emission zunichte zu machen.
Ja, Deutschland muss mittelfristig aus der Kohle raus und braucht kein CCS, um fossile Energieträger zu legitimieren, die alternative Energien ausbremsen. In anderen Regionen der Welt allerdings braucht es jede technologische Option, um Kohle sauberer zu machen und CO2 aus der Atmosphäre zu bekommen.
CCS ist sicher kein Allheilmittel - aber ein mögliches Mittel unter vielen. Ob es funktioniert? Und sicher ist? Das sind die entscheidenden Fragen, die weiter erforscht werden sollten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern