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Kommentar Burka-VerbotIslamophobie statt Ökonomie

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Es fehlen Wirtschaftskonzepte, also verbietet man mal die Burka. Das kostet ja nichts.

S chätzungsweise 600.000 Langzeitarbeitslose verlieren in diesem Jahr in Frankreich ihren Anspruch auf Leistungen und werden sich an die Fürsorge wenden müssen. Ihnen bot Staatspräsident Nicolas Sarkozy in einer Fernseh-Plauderstunde vage Aussichten auf mehr Wirtschaftswachstum an, das alle Beschäftigungsprobleme lösen soll. Das wars.

Die wahre Priorität der Republik "genießen" ganz offensichtlich die fünfhundert bis zweitausend Frauen, die mit ihrem Ganzkörperschleier angeblich die Gesellschaft schockieren. Seit Monaten suchten die Mitglieder einer parlamentarischen Kommission nach Wegen und Mitteln, dieses "Symbol der Knechtung der Frau" aus Frankreich zu verbannen.

So steht es im 170 Seiten dicken Bericht, der auf gesetzliche Verbotsmaßnahmen drängt. Die unterschiedliche Eile und Prioritätensetzung lässt zunächst an einen bloßen Verhältnisblödsinn denken. Doch vielleicht ist diese Burka-Debatte, die nun schon so lange die Parteien in Frankreich beschäftigt und erhitzt, ein reines Ablenkungsmanöver, um nicht von der tiefen Krise der kapitalistischen Wirtschaft reden zu müssen. Denn es ist kein Zufall, dass gerade jetzt so viel Energie auf die Bekämpfung des neuen ideologischen Staatsfeindes verwendet wird.

Nicolas Sarkozys Regierungspartei UMP will mit einer immer mehr nationalistisch gefärbten Kampagne verhindern, dass bestimmte von der Krisenpolitik enttäuschte Wählerschichten zur extremen Rechten abwandern. Immigrationsminister Eric Besson, den Sarkozy seine "Klinge" nennt, startete zu diesem Zweck eine unselige Debatte über die nationale Identität, die inzwischen zu einem Spucknapf für fremdenfeindliche und häufig gegen Muslime gerichtete Ressentiments geworden ist. Das Minarettverbot in der Schweiz hat in der UMP zusätzlich Tabus gebrochen und Hemmschwellen gesenkt. Gegen den Schleier lässt sich seitdem sogar mit ausgesprochen gutem Gewissen wettern.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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13 Kommentare

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  • PL
    prinz lilifee

    Liebe hier versammelten Kenner + Vertreter der einen deutschen Mehrheitsmeinung,

     

    vielen Dank für euer emanzipatorisches Engagement! Wohl nicht nur ich bin überwältigt von euerm energischen Kampf gegen gesellschaftliche Macht- & Unterdrückungs-Verhältnisse. Dennoch ein paar Anmerkungen:

     

    Zuerst: Vorsicht mit dem Vorwurf, die taz bilde nicht die eindeutig-klare "Mehrheitsmeinung" ab!!! Das könnte die sogar noch stärken! (ich glaub, das war mit Gründungsidee dieses Blattes, auch aus anderen Perspektiven als typisch dt./eurozentrischer "Mehrheitsmeinung" zu schreiben)

     

     

    1) @ nurEinGast: Abendländische Faschisten (und Sozialisten und Demokraten…) sind Ihnen also grundsätzlich lieber als Arabmoslems, wenn ich Sie richtig verstehe. -> Das beste Statement, das ich seit langem gehört hab!!! FN'ler sind „besser“ als Moslems! (und sächsische Anthroposophen sind klüger als andalusische Mozart-Fans)

    Schrecklich nur, dass einige Sozialisten, Händler, Künstler, Menschen - selbst manch Fascho - mit „Moslems“ Netzwerke (Freundschaften! Ehen!!!) bilden; anscheinend ohne sich an deren abgrundtiefer Fremdheit zu stören, während sie andererseits auf bestimmte „Kulturgenossen“ gar nicht klar kommen.

     

     

    2) @ aso: „...Die Menschenleben unschuldiger Opfer bei Anschlägen perfekt getarnter Burka-Terrorkomandos zu schützen wiegt höher…“ blablup > Kannste nicht einfach mal die Klappe halten?

     

     

    3) @ mach doch: „hoffe allerdings inständig, dass die Damen […], die Burka, Kopftuch, Musliminenschwimmen usw. verteidigen, es noch erleben, dass sie selber Opfer ihrer unreflektierten Toleranz werden.“

    Eben, denn es deutet alles darauf hin, dass schon bald ganz Europa zwangs-islamisiert ist.

     

     

    4) @ Alfred Neulich: „Würde Sarkozy seine Rede nicht dem Islam sondern Rassismus widmen [...] würde ihre Empörung ausbleiben.“ [„Ihre“ groß!]

    Vermutlich weil die Argumentation dann nicht mehr so schlüssig wäre. Problematisierung von Rassismus würde ja eigene Unzulänglichkeiten fokussieren („böse fremde“ sind zur ablenkung aber immer am besten!) und sich außerdem mit der 2. These „Stimmenfang am rechten Rand“ eher schlecht vertragen.

    Hmm… doch keine Doppelmoral, schade!

     

     

    5) @ babuschka: „Gordon. Kaum zu glauben, dass es Menschen wie Sie gibt, an den die Aufklärung scheinbar spurlos vorbei gegangen ist.“

    Am wen ist die Dings spurlos vorbei? Achso, den…

     

     

    Schluss-Resümee: Wir sind anscheinend alle FÜR Frauen- und Menschenrechte * SUUUPER * endlich ein Slogan der alle Deutschen, Europesen, Nato-Angehörige vereint und gut zu uns passt! (aber zu Moslems nicht, das ist ja wohl klar, weil ist doch klar. dauernd töten & unterdrücken die frauen & ehre & noch andere, mann sowas haste nich gesehen… okay, wir vielleicht auch manchmal - aber dafür HAM WIR –strike!- DIE MENSCHENRECHTE! *alle einstimmen* ZickezackeZickezacke MEN*SCHEN*RECH*TE! Und HipHip FRAUENRECHTE! YOH, SCHWULENRECHTE! (ach nee, schwule besser doch nicht wegen westl. wertegemeinschaft inkl polen & csu & so…)

  • B
    babuschka

    @ Gordon

     

    Kaum zu glauben, dass es Menschen wie Sie gibt, an den die Aufklärung scheinbar spurlos vorbei gegangen ist.

  • AN
    Alfred Neulich

    Sehr geehrter Herr Balmer,

     

    würde Sarkozy seine Rede nicht dem Islamfaschismus sondern Rassismus widmen, bei gleichen Umgebungsvariablen in diesem Fall hoche Arbeitslosigkeit, würde ihre Empörung ausbleiben.

     

    Woher kommt diese Doppelmoral, soll man denn nicht grundsätzlich alle menschenfeindlichen Ideologien kritisieren und gegen sie kämpfen?

  • H
    Hunks

    Um ehrlich zu sein empfinde ich als Bürger die Bedrohung seitens Radikalen wie Islamisten oder Neonazis schlimmer als Arbeitslosigkeit, weil sie die Grundfeste einer Gesellschaft zerstören.

  • MD
    mach doch

    Mir als Mann, ist es eigentlich ziemlich egal. Wenn Frauen sich mit einem solchen Ganzkörperschleier verhüllen wollen, sollen sie es tun. Ich hoffe allerdings inständig, dass die Damen der taz und anderer linker Institutionen, die die Burka, Kopftuch, Musliminenschwimmen usw. verteidigen, es noch erleben, dass sie selber Opfer ihrer unreflektierten Toleranz werden.

     

    Achso, Kleidungsverbote findet die taz manchmal übrigens auch ganz toll:

     

    http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/studis-wollen-nazis-an-den-kragen-gehen/

  • RH
    Rolf-Dieter Habich

    Zu aso:

     

    Scließe mich voll. Insbesondere die letzten beiden Absätze sind wichtig: Die Kluft zwischen veröffentlichter Meinung und den Auffassungen der Mehrheit unserer Gesellschaft wird immer größer.

     

    Wenn da ein Plebiszit veranstaltet würde - mein lieber Herr Gesangsverein, da wäre der Eklat um ein Mehrfaches größer als bei der schweizer Minarett-Abstimmung.

     

    Und die Diffamierung ("Islamophob", "Hassprediger" et al.)durch multikulti-enthusiastische Pseudo-Intellektuelle (ZEIT, SZ, taz)schürt das Feuer immer noch mehr an.

  • N
    nurEinGast

    @Carlos

    Der vermutlich allergrößte Anteil dieser x Millionen "rechtsextremen" FN-Wähler teilt mit Ihnen (ich hoffe doch?!) das grundlegende westliche Menschenbild des autonomen, willensfreien Individuums, das seine Geschicke in eigener Verantwortung bestimmt, ohne Marionetten- und Gängelbändchen eines allmächtigen Jenseitigen. Im links-rechts-Binnenwettstreit mag diesen Leuten der Aspekt der "Gleichheit" eher untergeordnet sein, wohingegen deren "freiheitliche Gesinnung" gewiss ausgeprägter ist als in IHRER Weltsicht. Was allein daran erkennbar ist, dass denen der freiheitsfeindliche, anti-emanzipatorische und ultra-totalitäre Grundcharakter des Islam ganz offenbar klar ist, während sich diesbezüglich bei Ihnen nur vollkommene Ignoranz feststellen lässt.

     

    Alle wirkmächtig gewordenen, auf engste miteinander verwobenen politischen Ideologien der aufkommenden westlichen Moderne, ob Kommunismus, Sozialismus, Faschismus oder Demokratie, teilten das oben skizzierte Menschenbild unausgesprochen, und es wäre wohl keinem der Vordenker dieser hoffnungsvoll zukunftsgewandten, blutig konkurrierenden Bewegungen jemals in den Sinn gekommen, dass wer immer den Konflikt siegreich übersteht, sich anderthalb/zwei Jahrhunderte später nochmal mit einer abgestandenen paläo-Ideologie würde herumschlagen müssen.

     

    Unter anderem wegen dieser Fehleinschätzung trifft die (in der westlichen Hemisphäre historisch siegreiche) Demokratie so unvorbereitet wie desorientiert auf das Islam-Phänomen: man kann sich untereinander nicht einmal auf Kategorien, Maßstäbe und Referenzrahmen zur Beurteilung dieser von außen angerollten Erscheinung einig werden. Derweil das (von oben oktroyierte) Projekt Weltbürgertum (forcierte Bevölkerungsvermischung und mehr) längst volle Fahrt aufgenommen hat. Wobei man eigentlich meinen sollte, die Welt habe von "ungedeckten Wechseln auf die Zukunft" erst einmal genug.

     

    Fazit: Organisationen wie die FN, sofern mit Grundauffassungen vom Menschen wie im oben beschriebenen Sinne, zählen selbstverständlich zur westlichen "Familie", der Islam bzw. darauf fußende Gedankengebäude ebenso selbstverständlich NICHT.

  • C
    Carlos

    Von ca. 2,5 Mio muslimischen Frauen in Frankreich tragen 2000 eine Burka. Weil die Gesellschaft sich dadurch bedroht fühlt, wird die Burka nun verboten.

     

    Von den über 3 Mio rechtsextremen Stammwählern des FN, deren Gesinnung mit den westlichen Werten wie Freiheit, Gleichheit der Menschen etc..

    aber auch rein gar nichts zu tun hat, fühlt man sich seltsamer weise gar nicht bedroht.

  • P
    Paulb

    Guter Versuch,

    aber sind nicht auch die Kommunisten Frankreichs mit am Gesetztentwurf beteiligt?

    Etwas Differenzierung tut not!

    Danke!

  • A
    aso

    Niemand läßt Leute mit Sturmhaube oder Motorradhelm mit getöntem Visier in eine Bank oder sonstige sensible Bereiche rumlaufen.

     

    Welcher Dummschwätzer kann den ernsthaft behaupten, man solle das Toleranzgebot derart verzerren, daß man in Europa überall Ganzkörperverschleierte rumlaufen läßt?

    Sobald dies Im Straßenbild als „Normalität“ wahrgenommen wird, wird es als perfekte Tarnung von Kriminellen und Terroristen mißbraucht. Es gibt zahlreiche Beispiele für Terrorakte die von als Vollverschleierten getarnten ausgingen.

     

    In England dürfen Juwelierläden so nicht mehr betreten werden...

    Es gilt also den Islamverstehern rechtzeitig klarzumachen, daß diese kulturelle Eigenart hier in Europa nicht akzeptiert werden könne, bevor der Schuh in der Tür ist. Dies ist allein aus Gründen der nationalen Sicherheit geboten:

     

    Die Menschenleben unschuldiger Opfer bei Anschlägen perfekt getarnter Burka-Terrorkomandos zu schützen wiegt höher als die kulturellen Befindlichkeiten von Migranten, die sich doch bitte den Landessitten anpassen sollten.

     

    Die nationale Identität hatte in Frankreich schon immer einen sehr hohen Stellenwert.

    Nur aus deutscher Sicht kann man das als „unselig“ bezeichnen.

    Wer hier ein ein reines Ablenkungsmanöver von der tiefen Krise der kapitalistischen Wirtschaft sieht, hat verschlafen,

    daß der Kulturkampf bereits voll im Gange ist, und die Vorboten des Bürgerkrieges in den Pariser Vororten schon zu beobachten waren...

     

    Wenn die Sorgen und „Phobien“ der Bürger ignoriert werden, braucht sich keiner wundern, daß rechte Parteien dieses Wählerspektrum abfischen.

     

    Diese Wähler sind nicht „Rechts“, sondern längst „Mitte“. Dort werden sie nicht bedient, also wenden sie sich nach rechts ab...

  • O
    Oberhart

    Danke, Rudolf. Genau auf den Kommentar habe ich gewartet... Für die paar Burkaträgerinnen so viel heisse Luft produzieren, wo doch andere Probleme viel drängender sind... Was ein Kappes...

     

    Kollege, schau dir mal an, welches Thema hier die meisten Kommentare abgreift. Jawoll, bei den Kapitalismuskritikern von der taz... Vielleicht ist das einfach eine Sache, die unter den Nägeln brennt.

     

    Klar, klar, das macht der Sarko nur, wegen der Wahlen. Alles Kalkül... Seltsam nur, dass durch das gesamte französische Parteienspektrum die Frage diskutiert wird. Und soll ich dir auch sagen, wieso? Weil immer mehr Menschen die Menschenrechte, die hier im Westen im letzten im 20 Jahrhundert hart erkämpft wurden, in Gefahr sehen. Wer immer noch meint, dass derartige Debatten nichts als Wählerfang am rechten Rand ist, der hat nix kapiert.

  • G
    Gordon

    All religions have their strange points.

    In Jewish fate some women wear wigs.

    In Catholicism some men wear dresses.

    In Prodestantism some men never smile.

    In Islam a tiny minority wear burka.

    In Rastafari some men have dreadlocks and smoke lot's of dope.

    Did you ever hear a Buddist chant?

    Once you ain't a terrorist you're ok with me.

    Sarkosy, Wilders, Swiss right, Sarazin, Haider (RIP): bigots to the man, pitbull souls.

  • E
    Eser

    Meiner Meinung nach sollte jedes Kleidungsstück verboten werden, das irgenwie scheiße aussieht und den Menschen nicht schön aussehen lässt.