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Kommentar Bundeswehr-EinsatzGefangen in Afghanistan

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Die Umgangsweise der Bundeswehr mit Gefangenen liegt in der Logik des Afghanistan-Einsatzes generell: Am Liebsten würde man sich raushalten.

E s liegt in der Logik des Afghanistan-Einsatzes, wenn die Bundeswehr den Umgang mit Gefangenen lieber den afghanischen Kollegen überlässt. Schließlich soll die afghanische Nationalarmee bald die Kontrolle über die Sicherheit im Land übernehmen. Darum werden jetzt bei Militäroperationen die Afghanen vorgeschickt. Der Kampf gegen Taliban und Aufständische, so heißt es stets, soll ein "Afghan face", ein afghanisches Gesicht, bekommen. Suggeriert wird so auch, dass er dadurch legitimer und kulturell verträglicher werde - die Afghanen wüssten besser, wessen Türen sie eintreten dürfen.

Doch wie hässlich dieses afghanische Gesicht ist, wird selten dazugesagt. Die Genfer Konvention läuft bei vielen Afghanen unter Weicheierei. Selbstverständlich würden afghanische Gefangene gefoltert und meist getötet, erklären selbst afghanische Offizielle unumwunden. Über die Zustände in afghanischen Gefängnissen berichten deutsche Militärs und Diplomaten in Kundus mit vor Entsetzen geweiteten Augen. In Nordafghanistan arbeitet die Bundeswehr mit einem Gouverneur zusammen, der sich grauenhafter Verbrechen schuldig gemacht hat und wohl immer noch macht.

Das ach so gute Verhältnis zu den Afghanen, das gern als deutsche Spezialität dargestellt wird, hat eine Kehrseite: Die Sache mit den Menschenrechten fällt dabei leider manchmal unter den Tisch. Vermutlich muss man der Bundeswehr sogar vorwerfen, dass sie vor Menschenrechtsverletzungen die Augen verschließt, um sich Ärger zu ersparen.

taz

Ulrike Winkelmann ist Redakteurin im Inlands-Ressort der taz

Darum bauen der Verteidigungsminister und andere nicht nur einen pseudoironischen Popanz auf, wenn sie dauernd erklären, man werde in Afghanistan keine "Westminister-Demokratie" - oder auch "keine Schweiz" - errichten können. Wer hätte das je behauptet? Die Formulierung verrät vielmehr, dass längst keiner weiß, wie mit der Verantwortung in und für Afghanistan nun umzugehen ist.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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5 Kommentare

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  • V
    vic

    Diese Regierung, zuvorderst A.Merkel hat keine Ahnung was sie tut, warum sie es tut und was sie damit anrichtet.

    Merkels Antwort auf alle Fragen lautet

    (stellt euch jetzt die schrille Stimme vor):

    "Dafür gibt es keine Alternative"

    Oder wie die Süddeutsche es formulierte:

    Goodbye Angela, hello tina.

    t.i.n.a für:

    there is no alternative.

  • K
    Kassandro

    Die Recherche über den Umgang der deutschen Soldaten mit ihren Gefangenen in Afghanistan v o r der letzten Abstimmung im Bundestag über die deutsche Kriegsbeteilligung dort hätte den Kriegsgegnern sehr geholfen:

    Hinter dem von den Propagandisten der Berliner Kriegparteien hoch gehaltenen hehren Ziel der Frauenbefreiung wäre die häßliche Realität der entmenschten afghanischenen War-Lord-Kumpane, ihrer bestialischen Gefängnisse und ebensolcher Bestialität

    im Umgang mit ihren ihnen von den deutschen Soldaten ausgelieferten Kriegsgefangenen in die deutsche Öffentlichkeit und auch bis zu den B undestagsa bgeordneten gelangt. Dazu wären Erkenntnisse gekommen, welch evtl. schlimmen Auswirkungen derartige Erfahrungen auf die deutschen Soldaten früher oder später haben würden, schlimm in ganz gegensätzliche Richtungen übrigens: Seelisch schwer traumatisierte Menschen oder verrohte, abgestumpfte

    "archaische Krieger"- gut zu gebrauchen für nicht gerade rechtsstaatliche Entwicklungen...

     

    Die Veröffentlichung hätte dann , liebe Frau Winkelmann, zu einem entgegengesetzten Ergebnis der Abstimmung im Bundestag geführt...

  • E
    end.the.occupation

    Warum die Aufregung? Frau Winkelmann hätte schon seit Jahren darauf kommen können, das ein 'Krieg' ohne irgendwelche Kriegsgefangenen auf Kriegsverbrechen hindeutet. Aber selber zu denken, Schlüsse zu ziehen oder 1 und 1 zu addieren, all das scheint ja nicht zu ihren Stärken zu gehören.

     

    Ob Sie sich noch an den Massenmord an gefangenen Taliban in Mazar-i-Sharif unter den Augen der Amerikaner, unmittelbar nach dem Überfall auf Afghanistan, erinnern kann.

    Zugegeben - sich an zuviele Dinge zu erinnern, das ist i.A. ein Karrierehindernis.

     

    Wer wie die taz nichts daran zu beanstanden hat, ca. 100 Dörfler nach Wehrmachtspartisanenart zu ermorden, warum sollte ausgerechnet der sich über seine afghanischen Freunde erregen, die ihre Gefangen zu Tode foltern?

     

    Demnächst müssen wir das vielleicht - so wie die USA - selber machen - in Bagram, zu unserer Sicherheit. Aber das ist eben Teil der Frontkultur des Neo-Imperialismus und -Kolonialismus - Bezeichnungen, die in der taz natürlich im Giftschrank stehen.

     

    Fazit:

    Die deutsche Staatsraison war schon immer barbarisch. Und - sie steht natürlich ausserhalb aller der Kritik in einer Zeitung, in der Orwellianismen die Norm sind, sobald darum geht die realen Machtverhältnisse zu beschreiben.

     

    Siehe auch den erwartungsgemäss zynischen Untertitel -

    "Die Genfer Konvention läuft bei vielen Afghanen unter Weicheierei" - den Versuch das Problem auf die Afghanen abzuwälzen.

  • K
    Kassandro

    Den Kommentar von Frau Winkelmann hätte der Kriegskritiker gerne v o r der letzten Abstimmung im Bundestag über die Verlängerung der deutschen Kriegsteilnahme gelesen:

    Das hätte das humanistische Gedöns der Bellizisten unserer kapitalistischen Blockparteien während dieser Abstimmung gewaltig delegitimiert.

    Immer wieder das gleiche Verfahren der alten und neuen westlichen Kolonialkrieger: mit übelsten Verbrecherregimen der "Eingeborenen" wird -eben auch durch Unrechtverschweigen-zusammengearbeitet, um profitökonomische und geostrategische Kriegsziele durchzusetzen. Dabei werden die als hehres Kriegsziel vorgegebenen Menschenrechte, um die es im Afghanistan der Blockparteien-Bellizisten angeblich geht, schön sortiert: Das Marketing der Frauenbefreiung etwa floriert.

     

     

    Völkerrechtlich wäre dringend zu klären, welcher Verstöße gegen das Völkerrecht sich deutsche Soldaten schuldig machen, die ihre afghanischen Gefangenen den unmenschlichen afghanischen Folterern übergeben, statt sie vor ihnen zu schützen.Schon rein sozialethisch betrachtet fällt es sicher nicht nur mir schwer, vor deutschen Soldaten,die solch doppelte Moral in Afghanistan entwickeln,noch irgendeine Achtung zu haben.

     

    Zugleich legt der von Frau Winkelmann geschilderte Umgang deutscher Soldaten mit gefangenen Taliban und anderen Widerstandskämpfern den Schluß nahe, daß eine Gesellschaft, die ihre Soldaten dergleichen mit politischen F r i t z l s praktizieren läßt, schon begonnen hat, moralisch zu verfaulen!

     

    Und nahe liegt der Gedanke ,daß a u c h auf diese Weise in Rechtsstaaten der Unrechtsstaat heranwächst, nicht nur durch gesetzliche Aufweichung der Grenzen zwischen Polizei, Geheimdiensten, Armee usw.-

     

    Solcherlei Aufweichen von Menschenrechtsbewußtsein und Rechtsstaat ist freilich für die kapitalistischen Machteliten nützlich, wenn die globale ökonomische Krise und daraus entstehende soziale Widerstandsbewegungen ihre Privilegien final bedrohen.

  • K
    Korinthenkacker

    Selbstverständlich handelt es sich um eine "Westminster-Demokratie" und nicht um eine "Westminister-Demokratie"...