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Kommentar BundestagswahlDie drei Optionen

Kommentar von Ralph Bollmann

Das rot-grüne Lager hat bereits aufgehört zu existieren. Was es hingegen noch gibt, ist eine rot-grüne Wählerschicht.

Am 13. September wollen sich Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier im Fernsehen zum Schlagabtausch treffen, doch ist das Wort "Duell" für diese Veranstaltung eine höchst irreführende Bezeichnung. Sosehr sich Steinmeier auch müht, zu einem Zweikampf der beiden Volksparteien will der Wahlkampf partout nicht werden. Zu vage erscheint dafür die Aussicht der SPD auf Bildung einer Ampelkoalition, zu sicher erscheint derzeit Merkels Verbleiben im Amt.

Die Auseinandersetzung verlagert sich deshalb auf den Wettstreit, wer der Kanzlerin zu ihrer Mehrheit verhelfen darf. Das verschiebt die gesamte Geometrie der Kampagne. Es bedeutet, dass die Union ihrem Wunschpartner FDP nichts schenken darf - zu unsicher ist, ob sich diese Option am Ende auch realisiert. Es bedeutet aber auch, dass SPD und Grüne zu Konkurrenten werden. Schafft es die SPD, sich in die große Koalition zu retten, sind die Grünen zu vier weiteren Oppositionsjahren verdammt. Erreichen die Grünen ihr Wahlziel, die FDP zu übertrumpfen und drittstärkste Kraft zu werden, könnte es für ein schwarz-grünes Bündnis reichen. Die SPD wäre dann ausgebootet.

Bild: taz

Ralph Bollmann ist Leiter der Parlamentsredaktion der taz.

Das rot-grüne Lager hat bereits aufgehört zu existieren, als der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder das einst als "Projekt" gestartete Bündnis rüde beendete und auf eigene Rechnung Neuwahlen ausrief. Der Graben hat sich vertieft, seit die Grünen in Hamburg mit der CDU regieren, eine Koalition mit der SPD in Hessen aber an den Problemen der Sozialdemokraten mit der Linkspartei scheiterte.

Was es hingegen noch gibt, ist ein rot-grünes Wählerpotenzial. Es geht um überdurchschnittlich gebildete, strategisch denkende Angehörige der akademischen Mittelschicht, die als beinahe letzte Wählergruppe noch verlässlich zur Wahl gehen. Das macht sie auch für die SPD besonders wichtig, im Unterschied zu einer enttäuschten Stammklientel, die dem Politikbetrieb zu wesentlichen Teilen bereits den Rücken gekehrt hat.

Diese Zielgruppe wird nicht für Merkels CDU stimmen, die Kanzlerin und ihre Partei sind für sie aber auch kein Schreckbild mehr. Das Feindbild heißt FDP und Schwarz-Gelb. Die rot-grünen Wechselwähler werden am 27. September vor der Alternative stehen, für die große Koalition als kleineres Übel zu stimmen - oder mit einem Votum für die Grünen auf die noch unwahrscheinlichere Variante Schwarz-Grün zu setzen. Das erklärt, warum Sozialdemokraten und Grüne so hartnäckig um diese Klientel kämpfen - und warum es partout nicht gelingen will, einen zugespitzten Lagerwahlkampf zu inszenieren.

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5 Kommentare

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  • BB
    B. Buheitel

    Solange in vom Bürger gewählten und für ihn tätig werden sollenden Positionen/Abteilungen/Ministerien etc. Lobbyisten als sog. "externe Berater" sitzen (und auch bezahlt werden) und damit die eigentliche Politik fürs Volk machen (die vom Volk gewählten Vertreter also nur noch Marionetten sind), solange könnte man gleich die entsprechenden Firmenvertreter wählen.

    Siehe dazu auch:

    http://www.keine-lobbyisten-in-ministerien.de/index.php/Lobbyisten_nach_Ministerien

     

    Meine persönliche Meinung: keine Parteienwahl, sondern Personenwahl - für jede Position den dafür am besten Geeigneten (nach sorgfältiger Durchleuchtung seines Werdeganges und seiner Verknüpfungen, Verpflichtungen, Erpressbarkeiten).

  • KK
    klaus keller

    Falsche Zielgruppe!

    Es geht um überdurchschnittlich gebildete, strategisch denkende Angehörige der akademischen Mittelschicht?

     

    SPD und Grüne wenden sich an in erster Linie an Wähler mit massiven Gedächnisstörungen.

     

    Ich vermute man wird Fahrdienste für verwirrte alte und junge anbieten damit sie die Wahllokale auch finden und nicht in die Kneipe gehen oder die Urnen auf dem Friedhof aufsuchen.

     

    Ich erwarte eine Zersplitterung der Grünen und der SPD.

     

    Nicht nur friedensbewegten müssen sich eine neue Bleibe suchen.

     

    Vielleicht gibts demnächst eine linksliberale Partei (was immer das ist) eine rechtsliberale haben wir.

     

    Bis dahin gibt es links von der Mitte nur eine vernünftige alternative die auch leicht zu finden ist da sie sich auch so nennt.

     

    klaus keller hanau

  • R
    RoDi

    Die Entscheidung bei der Bundestgswahl erscheint

    relativ einfach: Es gibt eigentlich nur drei

    Möglichkeiten. 1. Zu hause bleiben (das werden

    sicher viele tun) 2. DIE LINKE wählen oder 3.

    irgendeine der anderen, wobei es egal ist welche.

    sie sind alle gleich.

  • S
    Sonja

    Glauben Sie wirklich, Herr Bollmann, dass es am Ende auf Schwarz-Grün rausläuft, bei einem guten Ergebnis für die Grünen?

    Na, dann doch lieber die Linke wählen, denn wer will schon schwarz-grün außer natürlich die Schwarzen und Grünen aus Machtkalkül.

    Denk ich an Deutschland in der Nacht...!

  • W
    WaltaKa

    Rot-grün, das sind doch die Armutserzeuger mit ihrer Agenda 2010 und die Deregulierer, die mit ihrem gelebten Neoliberalismus die Wirtschafts- und Finanzkrise herbeiregiert haben.

     

    Keine der von Herrn Bolllmann angeführten Optionen ist das, was das

    Land braucht. Alle gehen auf Kosten des 'Normalbürgers'.

     

    Was diesem Lande fehlt, ist ein Bestreben seiner politischen Vertreter, die Verhältnisse zum Wohle des einzelnen Menschen und der Gesellschaft als Gesamtheit zu gestalten.

    Stattdessen denkt die politische Klasse in Einflußzonen und Macht für sich selber, ihre Netzwerke und ihre Spezis aus Wirtschaft und 'Prominenz'.

     

    Dieses Land ist durch das Wirken seiner politischen Klasse moralisch inzwischen derartig verkommen....

     

    Nach dem 27.9. werden sich viele im Lande verwundert die Augen reiben.

     

    Die einzige Alternative, die ich sehe, ist 'Die Linke'. Man kann bei ihr auch manches kritisieren; aber ohne das Auftauchen der Linken wären soziale Themen bei den anderen Parteien nicht mehr präsent. Ohne diesen 'Druck' regiert Neoliberal (als reale Politik!) in immer reinerer Form. Die Propagandawelle in den Medien ist schon wieder am Rollen.