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Kommentar Bundespräsidenten-WahlNach den Gauck-Festspielen

Ines Pohl
Kommentar von Ines Pohl

Dass Wulff als Bundespräsidenten-Kandidat im ersten Wahlgang eindeutig durchfiel, zeigt, wie tief die Gräben im Regierungslager sind. Doch auch das Grinsen von SPD-Chef Gabriel täuscht.

D ieser Denkzettel ist mit fetten Lettern beschrieben. Dass es knapp werden könnte im ersten Wahlgang, war klar. Aber dass Christian Wulff als Kandidat der Regierungskoalition beim ersten Versuch so eindeutig durchfallen würde, zeigt, wie tief die Gräben im Regierungslager tatsächlich sind. Und wie viele Widersacher beide Chefs haben.

Bei so vielen fehlenden Stimmen haben sich nicht nur FDP-Mitglieder von Westerwelle abgewandt. Auch Kanzlerin Merkel gelingt es nicht mehr selbstverständlich, wofür die Union jahrzehntelang stand: Die Reihen zu schließen, wenn es drauf ankommt. Jetzt geht es in die zweite Runde und alles ist offen. Gut möglich, dass es Wulff dann schafft und Merkel und Westerwelle in der Pause zwischen den Wahlgängen genug Druck aufgebaut haben, um die Abtrünnigen auf Spur zu bringen.

Wenn es so kommt, darf Joachim Gauck nicht ins Schloss einziehen. Gleichwohl wird er trotzdem der einzig wirkliche Gewinner in diesem denkwürdigen Moment der deutschen Geschichte sein. Bei einer Direktwahl wäre sowieso er es gewesen, der ins höchste Amt des Staates gewählt worden wäre. Dass der Bürgerrechtler und evangelische Pfarrer aus dem Osten auch im Parlamentsgebäude für so viel Aufruhr sorgte, zeigt, dass er - zumindest für den Moment - Fähigkeiten mitbringt, die sich die Menschen von ihrem Bundespräsidenten erhoffen: Glaubwürdigkeit durch gelebtes Leben.

taz

Ines Pohl ist Chefredakteurin der taz.

Natürlich werden die Sozialdemokraten versuchen, den Verlauf der Bundespräsidentenwahl auch als ihren Sieg zu verkaufen. Vom Grinsen Sigmar Gabriels sollte man sich aber keinesfalls in die Irre führen lassen. Was, geneigte Opposition, wird denn am Ende dieser Gauck-Festspiele übrig bleiben? Nichts. Außer der Tatsache, dass Grüne und vor allem die SPD einmal mehr gezeigt haben, dass sie Merkel ordentlich ärgern können. Das mag Spaß machen. Das ist aber keine in die Zukunft gerichtete Politik. Realisierbare Vorstellungen vom Gestalten einer Gesellschaft sehen anders aus.

Damit kommen wir zum wirklich großen Verlierer dieses Spektakels: Die Linkspartei. Sie hatte es in ihren Händen, einem rot-rot-grünen Bündnis eine realpolitische Perspektive und mit Gauck ein kluges und glaubwürdiges Gesicht zu geben. Diese Chance hat die Linkspartei vertan. Auch sie verantwortet fünf Jahre Wulff als ersten Mann im Staate.

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Ines Pohl
Ines Pohl (Jahrgang 1967) war von Juli 2009 bis Juni 2015 Chefredakteurin der taz. Bevor sie als politische Korrespondentin für die Mediengruppe Ippen in Berlin arbeitete, leitete sie das politische Ressort der Hessischen /Niedersächsischen Allgemeinen. 2004/2005 war sie als Stipendiatin der Nieman Foundation for Journalism für ein Jahr an der Harvard University. Im Dezember 2009 wurde ihr der Medienpreis „Newcomerin des Jahres“ vom Medium-Magazin verliehen. Seit 2010 ist Ines Pohl Mitglied im Kuratorium der NGO „Reporter ohne Grenzen“. Außerdem ist sie Herausgeberin der Bücher: " 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern" und "Schluss mit Lobbyismus! 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt" (Westend-Verlag)

7 Kommentare

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  • H
    hto

    Offensichtlich hat niemand den Akteuren des Polittheaters die Worte vorbereiten können, so daß die erbärmlichen Fassaden hinter den Masken zum Vorschein gekommen sind. Nur die Linken haben gutes Entertainment abgeliefert - weiter so, weg von parlamentarischer "Demokratie" / weg von VERordneter Schizophrenie durch Kreuzchen auf dem Blankoscheck, dann klappt's auch bald mit EINDEUTIGER Wahrheit überall!?

  • F
    Florentine

    @Jack: ich erlaube mir, zaghaft, schüchtern fast, an die sogen. 'Blockflöten' zu erinnern. MP Tillich gibt seine Parteikontakte in der DDR zumindest zu.

    Aufklärung? Aufklärung entlang politischer Nützlichkeitslinien= Aufklärung?

    Und ich bin nun Ihr Vorwand nicht LINKS zu wählen? Wow.

  • J
    Jack

    @ Florentine:

     

    "vermeintlich Stasiaufklärung betrieben zu haben"

     

    Allein diese Formulierung sagt mal wieder einiges über die Weltanschauung vieler LINKE-Anhänger. Ich weiß schon, warum ich die nicht wähle.

  • JF
    j.votava@t-online.de Framboise

    Genau so sehe ich das auch, liebe Ines ! Besonders den letzten Satz !

  • A
    Amos

    Verstehe wer will, dass man überhaupt noch Bundespräsidenten hier wählt.Das waren doch die, die in der Weimarer Republik als Ersatzkaiserlein aufgestellt wurden um dem Volk den Entziehungsschmerz zu lindern. Heute ist das der reinste Anachronismus und

    nicht anderes als Geldverschwendung. Keine Schultüten für Hartzler aber mittlerweile 5- Bundespräsidenten-, mit den ausrangierten Steuerschmarotzern. Dieser politische Haufen hier, sollte sich bis ins Mark schämen. Aber das Schämen haben diese politischen Kreaturen schon längst verlernt. Wer sich schämt muss ja Anstand kennen.

  • K
    kurz

    ob merkel und westerwelle in der pause genug druck aufgebaut haben, sei die frage.

    genau das ist die frage, wielange diese republik es noch aushält ihre einzige rechtfertigung nur noch aus druck zu bekommen.

     

    dieser druck der immer an die schwächeren weitergegeben wird. öffentliches pinkeln kostet in den meisten städten der BRD mittlerweile geld, 70ct in münchen z.b. 50 ct in nürnberg.

     

    auch das ist eine form von druck der ausgeübt wird, hier auf die bevölkerung, die zwar mit dem erwerb von getränken sich zumindst am mehrwertsteuer aufkommen beteiligt, die aber für´s pinkeln zahlen soll.

     

    schöner druck, ich hoffe nur, dass er letztendlich auf die zurückfällt, die ihn ausüben. auf enen bundspräsidenten, der auf grund von druck zusatnde kommt, kann ich jedenfalls verzichten!

  • F
    Florentine

    Und wieder ein Trällerchen auf Gauck.

     

    Werte Frau Pohl, reicht es bei Gauck bereits, Ost zu sein und vermeintlich Stasiaufklärung betrieben zu haben?

    Interessiert eigentlich die Politik, das Gesellschaftsverständnis, für das er steht, in keinster Weise?

     

    Ihr eindreschen auf die LINKE sind wir ja von der taz bereits gewöhnt. Soll die LINKE allen Ernstes jemanden wählen, der eine völlig andere Gesellschaftsvorstellung hat, als die LINKE? Nur weil uns auch die taz SPD und Grüne als sogen. 'Linke' verkaufen, sind sie es nicht. Deren Kandidat Gauck schon gleich gar nicht. Er nimmt sich nichts im Vergleich zu Wulff, ist eher noch neoliberaler. Mich wundert es nicht mehr, dass bei der taz reflektierte Artikel Mangelware sind. Die Chefin exerziert es vor. Spätestens seit ihrem Auftritt bei Beckmann, Frau Pohl, weiß ich, wieso die taz ein "Qualitätsblatt im Abschwung" (so ein taz-Titel zur Süddeutschen Zeitung) ist.