Kommentar Bürgerbeteiligungen: Mehr Polizei oder mehr Demokratie
Wenn es sich die Gesellschaft in Zukunft nicht mehr leisten will, mit Einsätzen von 20.000 Polizisten Bürgerrechte einzuschränken, muss sie neue Dialogprozesse organisieren.
D ieses Wochenende war ein echter Stresstest: für die Deutsche Bahn, für die Polizei und für viele regierende PolitikerInnen. Einmal mehr wurde die Demokratie in ihrer jetzigen Form extrem unter Druck gesetzt.
Die massiven Blockaden und Widerstandsaktionen rund um den Castortransport in Niedersachsen zeigen, wie sehr Konflikte eskalieren, wenn es nie eine Form von Bürgerbeteiligung gegeben hat. Und auch beim Referendum über die Zukunft des umstrittenen Bahnprojektes in Stuttgart wird langsam klar: Volksabstimmungen sind schön und gut. Doch dass sie, zumal angesichts enorm hoher Quoren wie in Baden-Württemberg, politische Konflikte wirklich befrieden, wird - unabhängig vom Ergebnis in Stuttgart - eine Wunschvorstellung bleiben. Das Problem, das richtige Maß an politischer Mitbestimmung zu finden, ist noch lange nicht gelöst. Die Debatte beginnt erst.
Dabei werden sich die gesellschaftlichen Konflikte in den kommenden Jahren verschärfen. Die Endlagerfrage ist weiterhin offen, und auch die Frage, welche Kraftwerke, Stromtrassen und Windparks künftig wo gebaut werden sollen, wird in vielen Orten Deutschlands zu erhitzten Debatten und heftigen Abwehrreaktionen führen.
ist Redakteur für soziale Bewegungen im taz-Inlandsressort.
Wenn es sich die Gesellschaft in Zukunft nicht mehr leisten will, wie in Gorleben mit Mammuteinsätzen von 20.000 Polizisten Presse- und Bürgerrechte einzuschränken, muss sie schleunigst neue Dialogprozesse organisieren.
In Deutschland allerdings fehlt es bislang weitgehend an differenzierten Einbindungen von Bürgeranliegen - und das, obwohl angesichts von Stuttgart 21 nun breiter Konsens ist, dass sich die parlamentarische Demokratie nicht mehr nur auf sich selbst verlassen kann.
Klar ist, dass diese Debatte mehr Fragen als Antworten produziert. Man stelle sich nur vor, Bundesumweltminister Norbert Röttgen meine es mit seiner weißen Landkarte der neuen Endlagersuche wirklich ernst - sollen dann an allen potenziellen Endlagerstandorten künftig 100.000 Polizisten die Politik der Regierenden gegen die empörte Bevölkerung durchsetzen? Oder werden Betroffene künftig mehr mitreden dürfen?
Die Regierenden, die ihr Mandat bislang im Zweifel zugunsten einer Politik der Wasserwerfer ausgelegt haben, müssen endlich Antworten auf diese Fragen geben können. Doch bislang liefern sie nicht.
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