piwik no script img

Kommentar BürgerbeteiligungMitreden – mehr aber auch nicht

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

Nicht nur Bürgerinitiativen fordern Bürgerbeteiligung bei Bauvorhaben, auch Unternehmer tun dies. Aber nur, um die Debatte zu bestimmen.

W eil Politiker, Verwaltungsbeamte und Unternehmer bei ihren renditeträchtigen Bauvorhaben immer mehr den Zorn der Straße zu spüren bekommen, sind sie derzeit gewaltig in Erklärungsnot. Das ist der Grund, weshalb längst nicht mehr nur Bürgerinitiativen, sondern auch Unternehmen und Institutionen über bessere Bürgerbeteiligung sprechen.

"Wir müssen die Bürger ernst nehmen", rufen sie. Aber sie denken: "Na ja, wir müssen zumindest so tun."

Nicht alles, was sich nach Bürgerbeteiligung anhört, verspricht jedoch auch, Bürgerbeteiligung zu sein. Die oft gelobten "Bürgerhaushalte", bei denen die Menschen über die Ausgaben ihrer Stadt mitbestimmen durften, waren vor allem geeignet, um die dauernden Kürzungen in öffentlichen Haushalten zu legitimieren.

Bild: taz
MARTIN KAUL

ist Redakteur für soziale Bewegungen.

Von Unternehmen wird der Ruf nach mehr Mitsprache heute so offensiv geführt, weil es die einzige Möglichkeit ist, die Debatte zu bestimmen. Denn wer mehr "Mitverantwortung" fordert, sagt nur: Die Menschen haben die Pflicht, sich einzubringen. Deshalb hat die Repräsentativdemokratie ja noch lange nicht die Pflicht, das zu berücksichtigen.

Die Berliner Konferenz zur "bürgerschaftlichen Mitverantwortung" ist ein gutes Beispiel: Auf den Podien sitzen massenhaft Unternehmer, Politiker und Bürokraten. Wer auch ein Exemplar jenes gefürchteten "Wutbürgers" sucht, sucht vergeblich. Das steht für Scheindialog statt Dialog.

So wie die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" einst angetreten war, um soziale Marktwirtschaft zu predigen und Neoliberalismus zu meinen, so werben heute Unternehmer für mehr Mitsprache. Die richtige Antwort auf fehlende politische Akzeptanz ist jedoch nicht das Reden, sondern die Entscheidung. Dazu nützen den Bürgern nur Entscheidungsspielräume. Und sonst gar nichts.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Martin Kaul
Reporter
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • S
    Stefan

    S21 hat uns die Bürgerbeteiligung nach dem Motto gezeigt: Wir forden eine Volksabstimmung, weil wir Volkes Stimme vertreten und die legitime Mehrheit sind. Huch, wir sind doch nicht die Mehrheit - egal, dann haben wir eben moralisch gesehen Recht.