piwik no script img

Kommentar Buchungsfehler bei der HRESchäuble trägt die Verantwortung

Kommentar von Gordon Repinski

Nie zuvor war der Beamtenapparat so mächtig wie in der Finanzkrise. Die Technokraten haben die Macht übernommen. Das ist ein unkalkulierbares Risiko.

E s ist eine unglaubliche Summe: Um mehr als 55 Milliarden Euro hat sich die Hypo Real Estate in den Bilanzen verrechnet - die gescheiterte Bank belastet die Steuerzahler also etwas weniger. Wie genau es zu dem Fehler kommen konnte, steht noch nicht einmal fest, so undurchsichtig ist die Bilanzierung der Hypo Real Estate und der ausgegliederten Bad Bank für die Schrottpapiere.

Doch auch wenn sich Finanzminister Wolfgang Schäuble beeilt, die Spitzen der Banken zu sich einzuladen, um diese Frage zu klären: Die politische Verantwortung für das Desaster trägt letztlich er selbst. Denn die Folgen gehen über eine bloße Korrektur der deutschen Staatsverschuldung weit hinaus.

Schäuble sollte wissen, dass er in diesen Wochen keine Toleranz für derartige Rechenfehler erwarten darf. Denn die Bundesregierung verlangt der Öffentlichkeit parallel viel ab, indem sie versucht, sich der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen: Ein "Vetrauensgremium" sollte anstelle des Bundestages über Billionen-Unterstützung der Euro-Zone beraten, die Opposition muss das Mitspracherecht des Parlaments wiederholt mühsam erkämpfen.

Bild: taz
GORDON REPINSKI

ist Parlamentskorrespondent der taz.

Was wirklich geschieht in der Finanzkrise, darüber haben weder Volksvertreter noch die Öffentlichkeit echten Durchblick. Nie zuvor war die Regierung, der Beamtenapparat so mächtig wie in der Finanzkrise. Ohne es ausgesprochen zu haben, haben die Technokraten die Macht übernommen. Ein unkalkulierbares Risiko - soviel ist nun klar.

Immerhin: Das Unwohlsein über diesen Zustand erreicht langsam die Politik. Von den gefunden 55,5 Millarden profitiert Deutschland direkt allerdings kaum. Das Geld ist bloß eine Zahl im Sonderhaushalt für die Bewältigung der Finanzkrise. Von den Folgen könnte das Land aber doch profitieren: indem die Bundesregierung sich endlich von der kruden Vorstellung verabschiedet, die Krise im Hinterzimmer lösen zu wollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

10 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • K
    Kai

    Kann nun jemand ausschließen, dass dies alles keine Absicht war und Milliarden fehlen, die in bestimmten Taschen landeten? Motto: wie vertusche ich das verschwinden von Geld.

  • W
    Wolfgang

    Fehler oder Absicht?

     

    In welcher der beiden Banken waren diese 55 Mrd € bilanziert, in der Hypo Real Estate oder der "Bad Bank"?

     

    Ging es bei diesen Kreationen nicht darum, eine von ihren Schulden mehr oder weniger entlastete und eine von Schulden überwiegend belastete Bank zu kreieren, um der ersten ein aussichtsreiches Überleben und fortbestehen zu garantieren und der zweiten ... na ja, wir werden 'mal schaun was passiert ... und wenn nicht, dann wird sich der Staat, sprich der Steuerzahler, wohl darum kümmern müssen?

     

    Ist man bei einer solchen Konstruktion dann nicht sehr versucht, bei der "Bad Bank" einige Milliarden (55?) Schulden mehr zu verbuchen?

     

    Nun hat man sich vertan. Einige Schulden waren nicht Schulden und gehörten auf die Habenseite. Man sollte nun aufmerksam darauf achten, ob nicht jemand daher- kommt und vorschlägt, Anteile dieser 55 Mrd. Haben doch bei der Nicht "Bad Bank" zu verbuchen.

    Schließlich war das Konzept der "Bad Bank" doch nicht, ein größeres Haben zu haben. Problem war doch, daß große Schulden bestanden, die man aus der Bilanz entfernen mußte. Daraufhin machte man eine zur Königin und die andere zum Aschenputtel.

     

    Jeder weiß, wie verschlungen das Denken und die Absichten von Finanzleuten sein können.

  • E
    Erbsenzähler

    Das schlimme ist, dass wohl sogar die großen Presseagenturen mit dem Thema überfordert sind.

    Die FMS Wertmanagement schreibt in ihrem Halbjahresbericht vom 14.Oktober 2011 auf Seite 35:

     

    ""

    Im verkürzten Halbjahresabschluss zum 30. Juni 2011 werden insbesondere im Zusammenhang mit Finanzderivaten gestellte oder erhaltene Barsicherheiten bei Vorliegen einer Nettingvereinbarung je Kontrahent saldiert unter den Forderungen an Kreditinstitute (per Saldo gestellte Barsicherheiten) bzw. unter den Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten (per Saldo erhaltene Barsicherheiten) ausgewiesen. Die entsprechenden fehlerhaften und unsaldierten Vergleichszahlen zum 31. Dezember 2010 wurden in laufender Rechnung angepasst. Hierdurch reduzierten sich die Vergleichszahlen der Posten Forderungen an Kreditinstitute und Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten sowie die Bi-lanzsumme um jeweils EUR 24.466 Mio. Weitergehende Auswirkungen auf die Vermögenslage sowie Auswirkungen auf die Finanz- und Ertragslage ergaben sich dadurch nicht.""

     

    Auf gut Deutsch: Man hat Forderungen und Schulden jetzt miteinander saldiert. Mehr nicht. Das ist wie wenn ich sage: Ich habe bei der Bank 5.000 Euro Schulden und 4.000 Euro Guthaben. Also könnte man

    sagen, ich habe nicht 5.000 Euro Schulden sondern

    effektiv nur 1.000. Diese Saldierung im Rahmen von

    Bewertungseinheiten ist HGB erstes Semester.

     

    Was in den Artikeln (insbesonder Seite 14 der Taz. vom 31.10.2011) nicht zum Ausdruck kommt ist, dass die FMS Wertmanagement dadurch keinen Cent reicher oder ärmer geworden ist. Es haben sich nur die für die Statistiker wichtigen Brutto-Schulden verändert.

  • F
    Fordler

    Der eigentliche Skandal ist die wochenlange Geheimhaltung, und dafür ist Schäuble verantwortlich.

    Ich denke, die falsch gebuchten Mrd. hätten schlecht in die Rettungsschirm Debatte gepasst.

  • R
    reblek

    "Ein 'Vetrauensgremium'" - Dem ist nicht zu vetrauen.

  • Y
    yberg

    politiker und beamte hängen lediglich am rockzipfel sauteurer illustrer berater und think tanks,die auf beiden schultern tragen und für die bürger dieses landes keinerlei emphat ie empfinden.

     

    wenn lobbyisten die finanzmarktgesetze schreiben lassen die finanzunternehmen ihre lobbyisten auch ihre probleme für die allgemeinheit viel zu teuer über angststarre politmimen lösen.

     

    so werden zum beispiel aus der halbierung der griechenschulden von über 3oo mrd nur schlapp 30 mrd

    wirksam.

  • R
    renntobs

    An Thanthalas: Da ist der Schäuble aber froh, dass'de dem so schön beijesprungen bist.

    Jetzt aber ernst: Dies Ereignis ist symptomatisch für das Duo Schärkel/Mäuble und ihre Verdämlichungstaktik im Parlament den anderen Parlamentariern gegenüber:

    55 Mrd. hin oder her - et löpp sowieso wie wir wolln.

    Ausgeschäubelt und schlussgemerkelt, hoffentlich bald.

  • W
    Webmarxist

    In der Eurokrise darf man sich nicht um 55 Milliarden verrechnen. Es geht um das Geld der Steuerzahler. Wir brauchen keine Zockerbuden. Sondern öffentlich-rechtliche Sparkassen, die nicht mit unseren Geld an den Finanzmärkten spekulieren.

  • M
    Marina

    Guter Kommentar, der sich wohltuend vom üblichen, populistischen Bla-Bla der sonstigen taz-Artikel abhebt. Bitte mehr solcher Artiel!

  • T
    Thanthalas

    Auch wenn ich Herrn Schäuble nicht sonderlich mag, so ist die Schuld doch wohl eher bei den Bänkern zu suchen, die nicht rechnen können. Solche Bänker braucht kein Mensch. Es handelt sich immerhin nicht um ein paar milliönchen sondern läppische 55 Mrd.