Kommentar Brüssel kneift bei Telekommunikation: Mauschelei nach bewährtem Muster
Das Europaparlament verschenkt erneut die Chance, eine starke Regulierungsbehörde für den Telekommunikationsbereich zu schaffen.
D ie Situation ist paradox. Während Europas Politiker in feierlichen Zeremonien die letzten Grenzkontrollen abschaffen, werden die protektionistischen Hürden zwischen den EU-Staaten immer höher. Daran krankt das transeuropäische Schienennetz, daran scheiterten Pläne der EU-Kommission für einen europaweit zugänglichen Energiemarkt. Jüngstes Opfer des wiederentdeckten Wirtschaftsnationalismus ist die von der EU-Kommission letzten Herbst vorgeschlagene Regulierungsbehörde für den europäischen Telekommunikationssektor.
Gestern stimmte eine überwältigende Mehrheit der EU-Abgeordneten dafür, die Kompetenz für Zuteilung der Frequenzen und Nutzung der Netze bei den nationalen Regulierungsbehörden zu belassen. In Brüssel soll ein kleines Sekretariat künftig die nationalen Regulierer beraten. Eine hochrangige Gruppe aus Experten der Mitgliedsstaaten kann Empfehlungen aussprechen, die der EU-Kommission am Ende eines langen Verfahrens ermöglichen, nationale Betonköpfe zur Öffnung ihrer Netze zu zwingen.
Doch die Prozedur ist so kompliziert, dass sie wohl kaum Drohpotenzial entfalten kann. Viele Bürger wünschen sich, Brüssel möge weniger in ihren Alltag hineinregieren. Täglich werden stapelweise Mitteilungen, Studien und Stellungnahmen von zweifelhaftem Mehrwert produziert. So ist zum Beispiel die Frage, ob sich die EU-Kommission wirklich mit Essstörungen und Fettleibigkeit, mit Raucherzonen in Kneipen oder mit Geschlechterstereotypen befassen sollte, nur allzu berechtigt.
Doch es gibt Politikfelder, die der Logik von Staatsgrenzen nicht folgen. Umweltschäden gehören dazu, Lebensmittelsicherheit, aber eben auch Versorgungsnetze und Frequenzen in einem eng verwobenen Binnenmarkt. Schade, dass erneut die Chance vertan wurde, eine starke europäische Regulierungsbehörde zu schaffen und damit einen fairen Zugang zu den neuen Techniken für alle Anbieter zu gewährleisten. Stattdessen ist nun wieder Mauschelei nach bewährtem nationalstaatlichem Muster angesagt. Denn 2010 sollen die Regierungen auf einem Gipfel die durch Digitalisierung frei werdenden UKW-Frequenzen neu unter sich aufteilen.
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