Eric Bonse über die Briten und die kommende Europawahl
: Apocalypse later

Zumindest bis zur Europawahl Ende Mai soll Ruhe sein. Der gefürchtete No Deal ist bis auf Weiteres abgewandt. Die zweite gute Nachricht aus Brüssel: Die Briten erhalten genug Zeit, um doch noch ein zweites Referendum über den Brexit abzuhalten. Die Hoffnung auf ein „People’s Vote“ bekommt damit neuen Auftrieb.

Damit enden aber auch schon die guten Nachrichten. Beim EU-Krisengipfel ging es darum, den Status quo zu wahren und den Brexit auf die lange Bank zu schieben. Am Ende stand ein Kompromiss, der alles offenhält. Der 31. Oktober als neue Deadline für die Ratifizierung des Austrittsvertrags kam zustande, weil Emmanuel Macron den Druck auf die Briten aufrechterhalten wollte: Im Herbst, so Macrons Ziel, soll der Neustart der EU beginnen, mit neuer Kommission und neuem Programm.

Allerdings stand Macron mit diesem Ziel ziemlich allein. Der Krisengipfel hat gezeigt, dass Merkel und die meisten anderen EU-Chefs kein Interesse an einer „Renaissance“ Europas haben. Alles soll weitergehen wie bisher, wenn möglich sogar mit den Briten. Je länger sie bleiben, desto besser. Selbst die Europawahl ist für die meisten EU-Granden nicht so wichtig. Solange die Briten teilnehmen, ist doch alles in Ordnung, oder?

Ist es aber nicht, im Gegenteil. Denn nun wird die Europawahl, wenn nicht noch ein Wunder geschieht und der Austrittsvertrag doch noch rechtzeitig ratifiziert wird, zu einem zweiten Referendum über die EU. Für die Brexiteers und andere EU-Gegner ist das ein Konjunkturprogramm. Sie mobilisieren schon jetzt gegen den „Verrat“ aus London und Brüssel – und könnten das neue Europaparlament nach der Wahl für ihre Zwecke umfunktionieren.

Klar, auch die Pro-Europäer dürfen bei der Europawahl auf Zugewinne setzen. Doch was nützt das, wenn die EU keine Zukunftsvision hat, wenn sich alles nur noch um den Brexit und die Verteidigung des Status quo dreht? Ein Ende mit Schrecken, da hat Macron recht, wäre immer noch besser als ein Schrecken ohne Ende. Doch genau der droht nach diesem Krisengipfel.

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