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Kommentar Brandanschläge in BerlinFakten statt Verdächtigungen

Rüdiger Rossig
Kommentar von Rüdiger Rossig

Warum schwarz-gelbe Politiker und Polizeigewerkschafter vor einer "neuen RAF" warnen, ist klar. Die linke Öffentlichkeit sollte sich auf diesen Unsinn nicht einlassen.

K aum brennt ein Auto, eine Stromleitung oder ein Kabelschacht - schon vermuten große Teile der Öffentlichkeit eine politische Motivation der Täter. Und zwar eine linke. Dabei hat die Polizei bisher nicht nur niemanden verhaftet. Es gibt auch keine Verdächtigen. Die Bundesanwaltschaft sieht keinen Grund einzugreifen. Warum also die Vermutung, es seinen Linke am Werk gewesen?

Ja, unter den wegen Autoabfackelns in Berlin Festgenommenen finden sich auch Leute, die sich als Linke sehen. Aber sie sind nicht die Mehrheit der Tatverdächtigen. Die allermeisten Linken lehnen sie und ihre Aktionen ab. Nicht nur das breite Spektrum, das sich auf demokratische Spielregeln eingelassen hat, sondern auch die, die sich "radikal" nennen.

Natürlich gibt es Linke, die auf Vandalismus setzen. Aber das tun auch rechtsextreme Kameradschaften, Islamisten und unpolitische Einzeltätern. Im Falle der jüngsten Brandanschläge auf den Berliner Hauptbahnhof liegt immerhin ein Bekennerschreiben vor, das aus der extremen Linken kommen könnte. Aber: Kapitalismuskritik mit sozialen Forderungen zu einem Politpamphlet zu verrühren, das schafft in Zeiten von Cut&Paste jeder Teenager.

Der Autor

RÜDIGER ROSSIG ist Redakteur im Meinungsressort der taz.

Warum schwarz-gelbe Politiker und Polizeigewerkschafter vor einer "neuen RAF" warnen, ist klar: Erstere suchen Themen, mit denen sie sich in der politischen Arena profilieren können; Letztere wollen mehr Mittel und Personal für ihre Institutionen. Warum aber lässt sich auch die linke Öffentlichkeit - ohne Not und ohne Fakten - auf diesen Unsinn ein?

Die extremistische Linke spielt abseits von immer kleineren Kreuzberger Maifestspielen seit Jahren keine Rolle mehr. Das ist angesichts der Krise des Kapitalismus verwunderlich. Ein Grund, sich linke Vandalen herbeizuwünschen, die stellvertretend Protest sichtbar machen, ist es nicht.

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Rüdiger Rossig
Redakteur Deutsche Welle
Redakteur der DW-Europaprogramme. Geboren 1967 in Mannheim, 1987 Lokalreporter beim Mannheimer Morgen, 1988 Moderator des Linksrheinischen Rundfunks, Ludwigshafen, seit 1991 Autor und 1993 bis 2018 Redakteur der taz, der Reihenfolge nach in der Ressorts Ausland, Meinung, Schwerpunkt, taz.zwei, Wirtschaft+Umwelt, taz.eins. 1995 Reporter bei UNTV, Zagreb, Kroatien, 1996-98 Redakteur und Moderator bei UN Radio Sarajevo, Bosnien-Herzegowina und eFM Radio Sarajevo. 1998 und 99 Leiter der OSZE-Wahlüberwachung im Kanton Sarajevo. Gelernter Balkanologe, studierter Osteuropa-Historiker. Magisterarbeit über die Genese der Rockszene (Ex-) Jugoslawiens. 2008 erschien sein Buch „(Ex-)Jugos“ beim Berliner Archiv der Jugendkulturen. Gitarrist der Berliner Skaband „Blechreiz“.
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12 Kommentare

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  • GW
    Go West

    Na, wie gehabt. Die übliche Verharmlosungsleier von Taz, Grünen und Linkspartei: verkniffen-pflichtgemäß wird "die Gewalt" verurteilt, um umso rascher vor "Vorverurteilung" zu warnen.

     

    Man stelle sich vor Rechtsextreme stünden in Verdacht, was dann an "hysterischer Reaktion" im Müsli-Lager los wäre.

     

    Insgesamt also das übliche neurotische Verhältnis zum Rechtsstaat.

  • P
    Potzi

    "Die Bundesanwaltschaft sieht keinen Grund einzugreifen."

     

    Nichts ist so schnell veraltet wie ein Kommentar in der Zeitung von gestern.

     

    Und inhaltlich wenig überzeugend, wenn erkennbar wird, dass sich der Kommentator noch nicht einmal die Mühe gemacht hat, ins eigene Archiv zu schauen:

     

    http://www.taz.de/!57926/

     

    Hier wird doch wohl deutlich genug, wie schnell die linksautonome Szene das Streichholz an die Lunte hält.

  • W
    Webmarxist

    Jeder ist unsschuldig, solange seine Schuld nicht bewiesen ist.

  • K
    Kiezman

    Bei einem evtl. islamischen, rechten oder irren Bombenleger dürfte es niemand wagen, so zu 'argumentieren'. Er würde von der taz als geistiger Helfershelfer und geistige Brandstifter einer Hetzkampagne unterzogen. Was also treibt die taz mit solchen Artikeln?

  • M
    Martin

    Dieselbe Leute dir immer wieder laut die angebliche Blindheit auf dem Rechten Auge beklagen fühlen sich auf den Schlips getreten wenn mal der Linke Terror thematisiert wird... lächerlich

  • C
    Capocannoniere

    Früher hätte die taz an dieser Stelle ein Bekennerschreiben veröffentlicht. So ändern sich die Zeiten.

  • A
    antiantiantianti

    Vor ein paar Wochen war das ganze Spiel andersrum, da war so ein Norweger auf einer Ferieninsel und danach waren alle "Pösen" die nicht zu den Linken gehörten auch Mittäter.

     

    Wollt ihr glaubwürdig werden? So nicht ..

  • X
    x200

    Diese Formel ist wirklich zu einfach, à la: Das sind doch nur ein paar Randständige gewesen und außerdem tun die Rechtsradikalen das auch...

     

    Natürlich hat die Linke eine politische Verantwortung für linksradikale Aktionen, so dämlich die auch sein mögen. Wer aus idellen oder auch nur aus "literarischen" Gründen mit den radikalen Romantizismen von Texten wie "Der kommende Aufstand" kokettiert - und die Anschlagsversuche der letzten Tage entsprechen exakt den darin beworbenen Widerstandstaktiken - sollte sich auch in ernsthafter Form damit auseinandersetzen, wenn einige Leute diese Texte sehr persönlich nehmen und als Handlungsanweisung verstehen.

  • H
    hanswurst

    "die extremistische Linke spielt abseits von immer kleineren Kreuzberger Maifestspielen seit Jahren keine Rolle mehr."

     

    die herablassende freude darüber aber, das es so ist merkt man diesem satz ja geradezu an. und das sich die taz nach hartz4 zustimmung und studiengebühren - unterstützung noch links nennt ist ohnehin der witz des tages. seht es endlich ein: "links" ist für euch nur noch ein verkaufsargument.

     

    das hat erstens unter anderem die taz mit zu verantworten und ist außerdem auch ein sehr deutsches phänomen. schaut man in andere länder wie griechenland oder spanien, italien oder frankreich sieht man das genaue gegenteil.

  • L
    Leser

    Tja, wenn die taz bei Verdächtigungen gegen Rechts auch so kritisch wird, dann wird sie sogar ein wenig ehrlicher....!!

  • J
    Jan

    Wenn aber ein Hakenkreuz an einer Moschee entdeckt wird, dann vermutet die taz sofort die Rechten. Diesen Artikel nenne ich Realsatire.

  • S
    Socke

    Auch hier hätten Menschen zu schaden kommen können. Aber wenn sonst - egal was passiert - der Täter mal eine NPD Kundgebung besucht hat wird es eine "rechtsradikale" Tat. Acuh wenn das damit nix zu tun hat.

     

    Hier ist es nun die andere Richtung, die Öffentlichkeit ist zunehmend "genervt" von solchen Aktionen und versteht den Hintergrund nicht.

    Interessant find ich hier nur "nicht alle linken sind so, die meisten lehnen das ab". Das ist bei "rechten" aber auch so - denen billigt man diese ander eMeinung aber nicht zu.