Kommentar Bohrinsel Elgin: Tief im Meeresschlick
Defekt, Pfusch oder Seebeben, die Suche nach den Ursachen für den Unfall auf der Bohrinsel Elgin geht am eigentlichen Grund vorbei: der absurde Energieverbrauch.
E in Déjà-vu, das in den Augen brennt. Pünktlich vor dem Jahrestag der „Deepwater Horizon“-Explosion wiederholt sich der Blowout mit bestürzenden Parallelen – auch wenn diesmal Gas statt Öl herausschießt. Das Leck liegt 4.000 Meter unter dem Meeresboden und ist unzugänglich, der Ölkonzern hat keinen Notfallplan, wiegelt aber erst einmal ab, und alle Akteure blicken hilflos in die stinkende See.
Alles, was jetzt als Rettungsmaßnahme diskutiert wird, hat verheerende Konsequenzen, weil es Monate dauern würde. Bis eine Entlastungsbohrung das Problem beseitigt, könnte sogar ein halbes Jahr vergehen. Einfach ausgasen lassen, heißt eine andere Option, also Nichtstun.
Die immer aufwändigere und riskantere Energiegewinnung führt mit naturgesetzlicher Regelmäßigkeit zu solch schweren Unfällen. Sie gehören als Kollateralschaden zu den Hochenergiegesellschaften wie der Zopf zu Karl Lagerfeld. Nach kurzen Schamfristen und Moratorien geht die Öl- und Gasgewinnung in immer tieferen Meeresregionen weiter.
BP, Total und andere Ölkonzerne haben ihre Drilling-Aktivitäten in Tiefseegewässern sogar noch „intensiviert“. Die Öffentlichkeit müsse sich „mit den Risiken abfinden“, sagt dazu die Energie-Direktorin der Universität Houston, Amy Myers Jaffe, „oder aus ihren Autos aussteigen“. Was ist mit denen, die gar kein Auto haben?
Jetzt wird nach Ursachen gesucht. War es die schlechte Zementierung, ein Defekt des Notfallventils, war es Korrosion, ein leichtes Seebeben oder Pfusch von Total? All das geht an der eigentlichen Ursache vorbei: dem absurden Energieverbrauch. Wir stecken so tief im Meeresschlick, dass wir uns Alternativen schon gar nicht mehr vorstellen können. Und während die Gaswolke zum Himmel stinkt, haben wir die Förderung der Solarenergie gerade heftig abgewürgt.
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