Kommentar Bischofskonferenz: Recht und Selbstgerechtigkeit
Es wäre falsch, von der Kirche zu verlangen, künftig die Strafanzeige verbindlich vorzuschreiben. Stattdessen müssen übergriffige Priester wirkungsvoll aus dem Verkehr gezogen werden.
B ei ihrem Schlagabtausch um den sexuellen Missbrauch haben sich beide Seiten eine blutige Nase geholt. Die Justizministerin hat fälschlicherweise den Eindruck erweckt, als stelle sich die katholische Kirche über das Recht, wenn sie nicht in jedem Fall Strafanzeige erstattet. Leutheusser-Schnarrenbergers Angriff hatte aber wenig Substanz, denn in Deutschland gibt es keine Anzeigepflicht. Aber auch Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, hat überzogen. Sein Ultimatium, die Ministerin müsse binnen 24 Stunden ihre Aussagen richtigstellen, wirkte allzu selbstgerecht. Hier versuchte sich die Kirche als Opfer zu stilisieren, wo es doch um die Frage nach ihrer Mitschuld geht.
Entscheidend ist, dass übergriffige Priester wirkungsvoll aus dem Verkehr gezogen werden und nicht an einer anderen Gemeinde erneut Kontakt zu Kindern und Jugendlichen erhalten. Dies war früher oft der Fall - und das war der eigentliche Skandal auf Seiten der Kirche. Die seit 2002 geltenden Richtlinien der Bischofskonferenz sehen aber vor, dass dies nicht mehr passieren darf. Und bisher gibt es auch kein Gegenbeispiel, bei dem die Kirche versagt hätte.
Falsch wäre es, von der Kirche zu verlangen, künftig die Strafanzeige verbindlich vorzuschreiben. Es gibt schließlich gute sachliche Gründe, dies nicht zu tun. Denn wenn ein Missbrauchsopfer weiß, dass es mit seiner Offenbarung gleich einen strafrechtlichen Automatismus auslöst, würde das offene Gespräch bei kirchlichen Beratungsstellen erschwert. Das könnte dazu führen, dass am Ende weniger Opfer Hilfe erhalten. Außerdem würde das Opfer erneut zum Objekt anderer gemacht, wenn es selbst keine Möglichkeit hätte, eine Strafverfolgung zu verhindern - zum Beispiel, um sich die damit verbundenen Belastungen zu ersparen.
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