Kommentar Bio-Junkfood: Quatsch mit Siegel
Das Prinzip "Bio für alle" - und alle Geschmäcker - birgt zwar Risiken. Doch solange die Bio-Siegel-Kriterien bleiben, ist es auch eine Chance für traditionelle Verbände.
Malte Kreutzfeldt ist Leiter des taz-Ressorts Ökologie und Wirtschaft.
Wie passt denn das zusammen: Fertigprodukte und klebrige Süßwaren, die als ungesund gelten, aber jetzt mit Bio-Siegel angeboten werden? Auf den ersten Blick nicht gut. Doch wenn Bioprodukte wirklich den Massenmarkt erobern sollen, dann gehören auch solche Produkte dazu.
"Bio für alle!", gab Renate Künast einst als Ziel aus. Wenn man es damit ernst meint, dann müssen alle Anbieter mitmachen und alle Bedürfnisse der Kunden erfüllt werden. Und wenn es ein Verlangen nach Chips und Zuckerlimo gibt, dann darf das gerne auch in Bioqualität befriedigt werden. Selbst wenn es der Gesundheit nichts nützt, profitiert immerhin die Umwelt.
Neben der Chance auf neue Käuferschichten und größere Marktanteile birgt der Einstieg konventioneller Großkonzerne in den Biohandel aber auch ein Risiko. Hier lässt sich gutes Geld verdienen, die rasant wachsende Nachfrage nach Biorohstoffen übersteigt oft schon das Angebot. Dadurch steigt der Druck, die Ökostandards aufzuweichen, und es wächst der Anreiz zum Betrug. Die staatlichen Kontrolleure und die Branche selbst müssen wachsam sein - denn schon ein einziger Skandal mit gefälschten Bioprodukten kann den derzeitigen Boom abrupt beenden.
Vielen neuen Anbietern geht es nicht mehr um Ethik, sondern vor allem ums Geschäft. Das muss nicht schlecht sein. Aber es zwingt zu mehr Kontrolle und eventuell zu neuen Regeln, etwa für Zusatzstoffe. Als Bioprodukte überwiegend von Idealisten hergestellt wurden, die aus Überzeugung auf Bio gesetzt hatten, waren chemische Zusätze, etwa in Biogetränken, die absolute Ausnahme. Inzwischen werden sie immer mehr zur Regel. Das untergräbt das Image von Bioprodukten, die von vielen Kunden eben nicht nur als umweltfreundlich, sondern auch als natürlicher und gesünder angesehen werden.
Solange sich an den Kriterien für das staatliche Bio-Siegel nichts ändert, bietet sich für die traditionellen Verbände wie Bioland oder Demeter hier sogar eine Chance. Mit strengeren Maßstäben können sie sich von der Konkurrenz in den Supermärkten abheben - und so ihre Rolle als Vorreiter auch im Biomassenmarkt behaupten.
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