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Kommentar Bildungsministerin SchavanZu früh für den Scheiterhaufen

Jannis Hagmann
Kommentar von Jannis Hagmann

Bildungsministerin Schavan hat geschlampt. Ob ihre Dissertation unwissenschaftlich ist, entscheidet sich aber nicht an Techniken. Sondern an Gedanken.

N och steht nicht fest, dass Forschungsministerin Annette Schavan ihren Doktortitel erschlichen hat. Aber die Vorwürfe gegen sie wiegen schwer. Nach selbst ernannten Plagiatsjägern im Internet ist nun auch ein Uni-Gutachter zu dem Schluss gekommen: Schavan hat bei ihrer Doktorarbeit getäuscht. Damit bekommt der Verdacht jedenfalls einen offiziellen Anstrich.

Für eine Forschungsministerin ist der Täuschungsvorwurf besonders schwerwiegend. Nach der Guttenberg-Affäre wandten sich über 30.000 WissenschaftlerInnen in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin. Sie schrieben von einer „Verhöhnung“ all jener, „die auf ehrliche Art und Weise versuchen, ihren Teil zum wissenschaftlichen Fortschritt beizutragen.“ Eine Verhöhnung wäre es, wenn nun auch die Forschungsministerin nicht geforscht, sondern geblufft haben sollte.

Ein Blick auf die verdächtigen Textstellen zeigt: Es geht nicht um Lappalien. Natürlich muss Sekundärliteratur verwendet werden. Natürlich kann diese paraphrasiert werden. Aber Schavan hat es sich leicht gemacht, in großem Maße abgeschrieben, teils wortwörtlich.

Jannis Hagmann

ist Volontär der taz und macht momentan Station im Inlandsressort.

Das verstößt gegen die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens und ist – auch wenn die Schlamperei 32 Jahre zurückliegt – mindestens peinlich. Eine zweite Causa Guttenberg ist es nicht. Schavan hat punktueller abgeschrieben, von Guttenberg-Ausmaßen scheint sie weit entfernt.

Hat der jungen Forscherin Schavan mit Mitte 20 nur die nötige Sorgfalt gefehlt? Oder handelt es sich wirklich um schwerwiegende Täuschung? Die Frage ist nicht, wie oft Schavan fehlerhaft zitiert hat, sondern ob sie eine eigene, schlüssige Argumentation vorgelegt hat, die des akademischen Doktorgrades würdig ist. Das werden der Promotionsausschuss und der zuständige Fakultätsrat der Universität Düsseldorf bewerten müssen.

Bis dahin sollten sich auch diejenigen, die Annette Schavan schon auf dem Scheiterhaufen ehemals promovierter Politiker brennen sehen, mit ihrem Urteil zurückhalten.

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Jannis Hagmann
Redakteur Nahost
ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann
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11 Kommentare

 / 
  • JK
    Juergen K.

    Gibt es nur diese 3 Bundesfinanzierten Stiftungen,

    die Schavan lobhudeln können ?

     

    Kann man nicht noch ein paar gründen, bis morgen ?

  • H
    hunter

    "Es geht nicht um Lappalien. Natürlich muss Sekundärliteratur verwendet werden. Natürlich kann diese paraphrasiert werden. Aber Schavan hat es sich leicht gemacht, in großem Maße abgeschrieben, teils wortwörtlich."

     

    Es ist mir einigermaßen schleierhaft, wie jemand, der so etwas schreibt, sich danach anschicken kann, Frau Schavans Titel irgendwie retten zu wollen. Sollen also nur noch die ihren Titel verlieren, die s o n s t nichts tun als die Copy Paste zu drücken? Dann wäre, bedauerlicherweise, durch die Causa Guttenberg genau das Gegenteil von dem eingetreten, was erhofft wurde. (Denn an Guttenberg gemessen ist ja jeder Betrüger ein schierer Anfänger.)

     

    Behält Frau Schavan aber ihren Titel, darf sich jeder Doktorant als Idiot fühlen, der sich die strapaziöse Mühe macht, selbst zu denken statt schavanisch-gelehrt zu paraphrasieren.

     

    Wie wäre es, wenn man anschließend, nachdem man (unter Schavan) bereits die Universität als solches abgeschafft und durch ein betriebswirtschaftliches Creditinstitut ersetzt hat, auch konsequent genug wäre, den Doktortitel gleich mit zu entsorgen? Schavans Name wäre auf diese Weise ebenso unsterblich wie einst Humboldts mit der deutschen Wissenschaft verbunden.

  • T
    tazitus

    Heinrich Heine tät sich wundern, was für ein (un)ge-

    scheiter Haufen da in DüDorf am Werke ist.

  • H
    Holländer

    Peinlich! Die Union ist wirklich nichts peinlich. Und diesmal kann man sich nicht raus reden, dass man kein wissenschaftlichen Assistenten eingestellt hat.

     

    Das es weniger Plagiat ist als Zu Guttenberg ist kein Argument. Fast jede Plagiat wird weniger schlimm sein. Mit dem Argument kann man fast jedem Gesetz abschaffen.

  • D
    D.J.

    Der Autor hat recht. Zwischen der Dreistigkeit eines Guttenberg und der punktuellen Schludrigkeit von Frau Schavan liegen Welten. Wer hier steinigen möchte, sollte sich die beanstandetetn Stellen in Gänze ansehen - er wird feststellen, dass manches geradezu beckmesserisch ist.

    Meine Empfehlung geht v.a. an eine Partei, in denen ein abgeschlossenes (!) Hochschulstudium alles andere als selbstverständlich ist, sich in diesem Falle einmal zurückzuhalten.

    P.S.: In der causa Guttenberg gehörte ich zu den ersten, die Mails u.a. an die CDU/CSU geschickt haben mit der Aufforderung, diesen Mann zum Rücktritt zu drängen.

  • V
    vic

    Vielleicht sollte man das mal umkehren. Wessen Doktorarbeit ist sauber? Das ginge schneller.

    Wie hält es z.B. Frau Dr. Merkel?

  • C
    Celsus

    Ein sehr guter Beitrag, der nichts auslässt.

     

    Aber im Ergebnis noch zu früh für den Scheiterhaufen? Da gibt es im Arbeitsrecht die Möglichkeit einer Verdachtskündigung. Das ist ständige Rechtsprechung und hat einen festen Ablauf:

     

    Der Verdacht kommt auf, der Arbeitgeber nutzt die Möglichkeiten der Aufklärung und hört dann den Arbeitnehmer an. Sollte danach der Verdacht nicht ausgeräumt sein, erfolgt die Kündigung. Und das ausdrücklich und gewollt auch dann, wenn es "nur" ein Verdacht ist und kein Beweis vorhanden ist:

     

    http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&sid=b335c1feb8d955fe863c12df17e0db1b&nr=15235&pos=5&anz=31

     

    Und die CDU will ganz bewusst und ausdrücklich daran nichts ändern. Nur für gehobene Positionen scheint da eine andere Rechtsauffassung zu bestehen.

  • DD
    Die Doktores

    Hat der Autor eigentlich sich mal die Mühe gemacht, in die Fundstellen wenigstens des Plagiatjägers auf schavanplag.wordpress.com anzuschauen, gar vielleicht zu lesen?

     

    Das wäre eine durchaus sinnvolle Vorgehensweise, wenn man einen Kommentar über die Sache verfassen möchte. Ansonsten begibt man sich in Gefahr, nur irgendeine persönliche, auf Nichts beruhende, Meinung von sich zu geben.

  • D
    Detlev

    Es gibt ein viel größeres Problem: Eine Dissertation wird nach einer Prüfungsordnung eingereicht. Gegen die hat Annette Schavan häufig verstoßen. Nicht ein Mal, zwei oder drei Mal, sondern gleich auf 61 Seiten. Das ist für einen Ausrautscher deutlich zu viel.

     

    Beim wissenschaftlichen Gehalt der Arbeit ist noch niemand angekommen, bei den Verletzungen der Prüfungsordnungen wird es vielleicht auch nicht dazu kommen, aber das Problem, Prüfungsordnung, bleibt.

     

    Und die Aussagen von Annette Schavan machen das Ganze nur noch schlimmer, denn bislang stellt sie sich stur und meint, ihre Arbeit sei in dieser Weise, wie sie 1980 abgegeben wurde, mängelfrei.

     

    Wer glaubt ihr diese Aussage am Montag den 15. Oktober 2012?

    Sie könnte es längst besser wissen ...

  • W
    wauz

    Politik, nicht Strafrecht

     

    Eigentlich ist es gar nicht mehr wichtig, ob sie nun vor 32 Jahren den Doktorgrad (nicht Titel) zu Recht oder so...

    Interessant ist, wie die Politikerin Schavan damit umgeht, dass man ihr am Zeug flickt. Es ist nicht nichts, aber sie tut so. Und genau das bricht ihr völlig zu Recht das Genick.

  • F
    Fritz

    Dieser Artikel ist jetzt kein geistiger Höhenflug - die sind in der taz eh selten -, aber er ist ruhig, sachlich, zumindest ansatzweise durchdacht und hebt sich somit wohltuend vom sonst üblichen taz-Gekreische ab.