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Kommentar Bettina WulffDie Grenzen der Berichterstattung

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Gerüchte über Bettina Wulff sind falsch. Niemand kann und darf sich darüber hermachen. Berichten über die Folgen darf man aber schon.

S eit einer rot-grünen Reform im Jahr 2001 gilt Prostitution in Deutschland nicht mehr als sittenwidrig, sondern als ehrbarer Beruf. Dennoch muss sich Bettina Wulff nicht als Exprostituierte bezeichnen lassen, wenn sie keine war. Genauso wenig wie sie Schlagzeilen dulden muss wie „Eigentlich ist Bettina Wulff ein Mann“ oder „Bettina Wulff ist SPD-Mitglied“.

Mit ihrer eidesstattlichen Versicherung hat Bettina Wulff klargemacht: Da war nichts, die Gerüchte sind falsch. Es gibt auch keinen einzigen handfesten Beweis für das Gegenteil. Deshalb dürfen Medien und andere Akteure zu Recht nicht mehr behaupten, dass Bettina Wulff früher im Escort-Service gearbeitet hat.

Und niemand kann sich hier herausstehlen, indem er das Ganze als Gerücht kennzeichnet, das er nur gehört oder gelesen habe. Auch die Weiterverbreitung falscher Gerüchte verletzt das Persönlichkeitsrecht.

Bild: taz
Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Ähnlich ist es mit Googles Funktion der Autovervollständigung. Wenn bei der Sucheingabe von „Bettina Wulff“ sofort ergänzt wird „Bettina Wulff Prostituierte“, dann wird zwar vom Computer nur aufgegriffen, was die Nutzer so suchen. Letztlich wird mit dieser Zeile aber eben suggestiv auch das falsche Gerücht verbreitet. Das sieht die Rechtsprechung derzeit zwar noch anders, aber vermutlich nicht mehr lange – zumal die Suchmaschine Google regelmäßig in die AutoFill-Funktion eingreift, wenn es um Urheberrechte und um Pornografie geht.

Die Grenze der Unterlassungsansprüche sind allerdings dort erreicht, wo es um weitergehende Diskussionen geht und dabei klargestellt wird, dass das Gerücht falsch ist. Dann kann auch über die Folgen falscher Gerüchte geschrieben werden (wie in diesem Kommentar) oder über die Intrigen in der niedersächsischen CDU.

Zwar wird durch die neue Welle der Berichterstattung sicher der eine oder andere auf das Gerücht aufmerksam, der es bisher noch gar nicht kannte. Das hat Bettina Wulff aber bewusst einkalkuliert. Sie will ja, dass ein falsches Gerücht als falsch erkannt wird. Diese Botschaft muss sie aktiv setzen und damit auch verbreiten.

Bettina Wulffs Bereitschaft, diesen Streit durchzustehen, wurde aber sicher auch dadurch gestärkt, dass die Medienaufmerksamkeit zugleich Werbung für ihr neues Buch bedeutet, natürlich nur ganz nebenbei.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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20 Kommentare

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  • W
    www.BettinaWulff.com

    ich diene nur meinem treuen eheman !

    www.BettinaWulff.com

  • R
    ramoll

    Die Vorwürfe schlagen wohl erst seit der eidesstattlichen Versicherung hohe Wellen - für mich ganz klar eine PR-Aktion, um das Buch in die Schlagzeilen zu bekommen. Werbung zum Nulltarif. Prima.

     

    Aber man kann es sich ja aussuchen ob man sich das Buch kauft oder nicht. Andererseits, was verspricht man sich davon? Was soll denn da schon drin stehen? Meilensteine aus dem Leben von Frau Wulff? Wow! Mich persönlich interessiert das nicht die Bohne, solange sie niemandem schadet oder geschadet hat. Und selbst dann bin nicht ich der, der sich darum zu kümmern hat.

    Wie auch immer geartete Geständnisse werden darin sicherlich nicht zu finden sein.

    (Nicht falsch verstehen, ich sage hier nicht, dass es was zu gestehen gäbe.)

     

    Ja klar, inzwischen muss man ja mit einer Biografie aufwarten können, ansonsten ist man ja nichts. Egal, wie wenig sinnvolles drin steht.

    Einfach Lebenslauf zusammenstellen, ein paar Anekdoten aus der Kindheit/Jugend, sich noch schnell aus den Fingern saugen wo mal überall wohltätig aktiv ist/war und das Ganze dann dem ghostwriter vorlegen, Deckel drauf. Dann den Schmöker noch gut vermarkten.

     

    Na wenigstens zahlt da mal nicht automatisch der Steuerzahler - mitunter ist das gesamte Thema damit dann gefühlt eines der weniger negativen bezüglich der Wulffs.

  • GS
    Goran Schwabbel

    Entweder sind die Gerüchte über Bettina Wulffs Vorleben als Prostituierte wahr oder ihr Verlag hat sie selbst gestreut, um den Verkauf der Schund-Biographie der Politiker-Gattin anzukurbeln. Nicht zufällig wurde die Veröffentlichung jetzt um Monate vorgezogen, um mit dem nichtssagenden Müll gehörig Kohle zu scheffeln! Denn in dem Buch wird schließlich rein gar nichts über die Prostituierten-Gerüchte stehen, da es vorher vollendet war und Frau Wulff die Gerüchte ja selbst bestreitet und dagegen klagt. Wer also wirklich etwas interessantes lesen möchte, der sei lieber auf "VERSAUT UND SEXSÜCHTIG!" (Erotischer Roman von Sammy Lord) verwiesen. Das ist tausendmal interessanter und zudem unendlich erotischer, als eine weitere freche und verlogene Ghostwriter-Biographie einer C-Prominenten, die den Polit-Skandal um ihren Ehemann jetzt finanziell weiter ausschlachten will. Den Wulffs reicht der horrende Ehrensold aus unseren Steuergeldern wohl nicht für ihren luxuriösen, verfrühten Lebensabend. Jetzt wollen sie mit dem gewohnten dummdreisten Biographien-Schund noch den BILD-Zeitungslesern millionenfach das Geld aus der Tasche ziehen! Wie gesagt: Demgegenüber bevorzuge ich "VERSAUT UND SEXSÜCHTIG!" (Erotischer Roman von Sammy Lord)!!!

  • A
    aujau

    Wer verdammt nochmal interessiert sich ernsthaft dafür, ob Frau Wulff früher im Escort-Service gearbeitet hat oder in China fällt ein Sack Reis um?

    Und wer verdammt nochmal hat bei der CDU nichts anderes zu tun, als so platte Kammpagnen zu reiten?

  • S
    Superschawe

    Und wenn sie einfach nur jung war und das Geld brauchte? Klar, mit dem Alter und der hohen Stellung i.d. Gesellschaft muß man nicht mehr zur Sache stehen, aber es ist doch nur eine Arbeit wie jede andere auch. Z.B. wie Buchautor für Bücher die die Welt nicht braucht.

  • I
    Ingo

    Entscheidend ist hier vor allem der letzte Absatz:

    Wenn sie zu Zeiten als ihr Mann noch Bundespräsident war, gegen derlei Gerüchte vorgegangen, könnte man das verstehen. Jetzt aber medienwirksam Klagen einzureichen, wo sich eigentlich schon längst niemand mehr um sie kümmert und sie aus der Öffentlichkeit schon fast wieder verschwunden war, sieht wirklich mehr nach Werbekampagne für ihr Buch aus.

    Übrigens: Das Buch wäre vermutlich interessanter, wenn die Gerüchte wahr wären.

    So werden es ein paar hundert Seiten Langeweile sein, die wohl nicht mal alle Käufer lesen werden.

  • S
    S.P.

    Ich bin sehr gespannt wie das rechtliche Vorgehen von Frau Wulff gegen den fast weltbeherrschenden "big Brother" Google ausgeht.

  • SL
    Sonja Lattwesen

    Was für eine Don-Quichotterie! Hinter dem Namen jedes gutaussehenden Fußballers wird als erstes das Auto-Fill "schwul" angezeigt. Man stelle sich vor, die würden alle dagegen klagen! In der heteronormativen Welt des Fußballs geht es für die Sportler tatsächlich um etwas, vom Ruf hängen Werbeverträge ab. Bei Familie Wulff scheint zu gelten: ist der Ruf erst mal ruiniert... wird mit dem Frau Wulff sicherlich bekannten Streisand-Effekt Werbung fürs Buch gemacht. Na immerhin ist Frau Wulff geschäftstüchtig, auch jenseits der Schmerzgrenze.

  • G
    ghbb

    Ob die Bettina den Streisand-Effekt nicht kannte. Ich kannte jedenfalls die Gerüchte bis zum Wochenende noch nicht.

     

    http://de.m.wikipedia.org/wiki/Streisand-Effekt

  • N
    Nonsense

    Worum es eigentlich geht, ist Heuchelei.

     

    Es geht nicht um Frau W., sondern darum, was die Unchristliche Deutsche Union uns vorspielt.

     

    Jedem sind deren Lippenbekenntnisse und öffentliches Tamtam bekannt.

     

    Die Wahrheit dahinter ist dermaßen anders. Man könnte vom Gegenteil dessen sprechen, was postuliert wird.

     

    Jeder kann sich im Bordell seiner Wahl vergnügen. Aber keiner braucht so zu tun, als ob es nicht so wäre und andere mit seiner Verlogenheit quälen.

  • S
    Synoptiker

    Hier hat der Autor recht.Ich füge hinzu: Die Grenzen der Berichterstattung sind im Falle B. Wulff überschritten worden. Das Zitieren von geschriebenen Gerüchten (von wem auch immer) darf nicht ohne Strafe geschehen. Jauch hat das wohl sehr schnell eingesehen.

    Google wird folgen, denn die Rechtsprechung ist sensibilisiert und die nächsten Urteile in solchen Fällen dürften von der bisherigen Praxis abweichen. Die Persönlichkeitsrechte sind höher einzustufen als das vermeintliche Recht auf Berichterstattung!

  • A
    aida

    "Mit ihrer eidesstattlichen Versicherung hat Bettina Wulff klargemacht: Da war nichts, die Gerüchte sind falsch"

    Naja, das wäre es in einer idealen Welt. In unserer Welt ist es leider so, daß auch bei eidesstattlichen Versicherungen die eventuelle Wahrheit zurechtgebogen wird - insbesondere dort, wo es um Öffentlichkeit und Politik geht.

     

    Was Google und die Zensur angeht: Es wird bei Urheberrechtsverletzungen NICHT in die "Autofill" Funktion eingegriffen, sondern GANZE Begriffe gesperrt. Ein nicht unerheblicher Unterschied.

  • V
    Valentin

    Und die taz macht kräftig mit bei dieser Art von Schleichwerbung mit einem Artikel und einem Kommentar über dieses so ungemein wichtige Thema für die Zukunft von uns allen...

     

    Oohh Mann...

  • HL
    Hauke Laging

    "Mit ihrer eidesstattlichen Versicherung hat Bettina Wulff klargemacht"

     

    Noch so ein Gerücht, wie lustig. Wie soll sie denn eine Versicherung an Eides statt abgegeben haben, gegenüber welcher dazu gesetzlich berechtigten Behörde?

     

    Oder ist es vielmehr so, dass – wie immer – jemand "eidesstattliche Versicherung" auf ein Blatt Papier geschrieben hat und alle Journalisten den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und das nachplappern, dass also insbesondere der "rechtspolitische Korrespondent" der taz nicht einmal weiß, was eine Versicherung an Eides statt ist?

  • D
    Dings

    Schwacher Artikel. Es ist ein Unterschied, ob Google Begriffe wie "Torrent" herausfiltert oder ob jeder Wutbürger ein Anrecht darauf hat, dass extra für ihn der Algorithmus geändert wird. Das wären im Extremfall 7 Mrd. Ausnahmen allein für natürliche Personen.

    De fakto würde dass einem Verbot für die Funktion gleichkommen.

  • E
    Edwin

    Warum ist Bettina Wulff erst jetzt gegen die infamen Gerüchte vorgeganegen? Die zeitliche Nähe zu der Herausgabe ihres Buches lässt ihr Anliegen zumindestens unglaubwürid wirken. Zudem scheinen in der Wulff-Affäre nun wieder die Medien auf der Anklagebank sitzen. Dabei haben Christian und Bettina Wulff in dieser Angelegenheit ihre Reputation größtenteils selbst zerstört.

  • T
    tommy

    "Seit einer rot-grünen Reform im Jahr 2001 gilt Prostitution in Deutschland nicht mehr als sittenwidrig, sondern als ehrbarer Beruf. "

     

    ehrbarer Beruf - das ist vielleicht in Herrn Raths Milieu der Fall. Glücklicherweise aber nicht im Rest der Republik.

  • DM
    Dirk Müller

    der letzte Satz Ihrer Kolumne ist wirklich perfide.

    Wenn sie schon keine Nutte ist, dann ist sie aber sehr geschäftstüchtig, und promoted so auch noch ihr Buch. Das ist dann - in Ihrer Sichtweise - auch nicht viel besser. aliquid semper haeret, irgendwas bleibt schon hängen. So scheinen Sie zu denken und entsprechend handeln und schreiben Sie auch. Schäbig.

  • GB
    gaby b

    Die Gerüchte über Bettina Wulff sind falsch.

     

    --

    was der autor uns hier als absolute, umumstössliche wahrheit auftischt, ist ebenfalls nur reine spekulation. beweise, dass dem nicht so ist, hat er nämlich keine.

  • T
    TheOrbitter

    "Dennoch muss sich Bettina Wulff nicht als Exprostituierte bezeichnen lassen, wenn sie keine war."

     

    Klarer Fall, völlig richtig, kein Widerspruch.

     

    "Mit ihrer eidesstattlichen Versicherung hat Bettina Wulff klargemacht [...] die Gerüchte sind falsch."

     

    Hahahahaha. Eine eidesstattliche Versicherung aus dem Hause Wulff hat den Wert von Klopapier. Überhaupt sind seit Barschels und Kohls Ehrenworten in der festen Absicht gesprochene Worte eine Lüge wie eine Wahrheit aussehen zu lassen doch keine fünf Pfennig mehr wert.

    Auch wenn Sie recht haben, daß es vermutlich keinerlei glaubhaften Beweis für eine Escort-Tätigkeit von Frau Wulff gibt, so ist dennoch nicht die geringste Form der Entlastung sich hinzustellen und zu sagen:"Ich war's nicht. Ehrlich!". Ehrlich war und ist Herr Wulff nicht in der Causa Wulff, ebensowenig wie es seine Frau war und ist und es ist und bleibt einzig wahr:"Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht."