Kommentar Beten in der Schule: Kein Thema für die Justiz
Das Problem mit Gebeten an Schulen sollte nicht per Gerichtsurteil gelöst werden. Schule sollen auch einen toleranten Umgang vermitteln. Dazu gehört, nicht immer gleich vors Gericht zu ziehen.
S oll ein Schüler muslimischen Glaubens in der Schule sein Gebet verrichten dürfen? Das Berliner Verwaltungsgericht hat im vergangenen Jahr diese Frage positiv beantwortet: Er darf – außerhalb der Unterrichtszeiten und so, dass er andere mit seinem Gebet nicht stört. Am Donnerstag nun kippte das Oberwaltungsgericht Berlin dieses Urteil.
Das Gericht folgte damit der Argumentation der Berliner Schulverwaltung: Das öffentlich verrichtete Gebet könne an den multireligiösen Schulen den Schulfrieden stören. Dem Schüler einen besonderen Raum für das Gebet zur Verfügung zu stellen, könnten Schulen aber nicht leisten – zumal diese Forderung dann auch den Angehörigen anderer Religionen erfüllt werden müsse.
So weit, so gut. Man mag sich tatsächlich fragen, ob private Religionsausübung im Sozialraum Schule, die als Institution weltanschaulicher Neutralität verpflichtet ist, etwas zu suchen hat.
ist Redakteurin für Migration und Bildung bei taz-Berlin.
#In Berlin geht diese Neutralität so weit, dass Religionsunterricht nicht als reguläres Schulfach erteilt, sondern als freiwillige Unterrichtsstunde von den Religionsgemeinschaften selbst angeboten wird.
Gleichzeitig baut Berlin gerade die Mehrheit seiner Schulen zu Ganztagsschulen um. Für muslimische SchülerInnen, die die religiöse Vorschrift des täglich fünfmaligen Gebets einhalten möchten, ergibt sich daraus tatsächlich ein Problem.
Es ist ein praktisches Problem in der Vielfalt einer Einwanderungsgesellschaft: Und genau vor diesem Hintergrund ist der Prozess um das Schulgebet auch eine Farce. Schule, die Kindern ja gerade auch das demokratische Zusammenleben, den toleranten Umgang vermitteln soll, muss solche Fragen anders als per Gerichtsurteil lösen können.
Dass der Prozess in Berlin der erste dieser Art 50 Jahre nach Beginn der Einwanderung von Muslimen ist, lässt immerhin hoffen, dass die meisten Schulen das auch können.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Protestaktion gegen CDU-Chef Merz
Alle Tassen im Konrad-Adenauer-Haus?
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren
USA in der Ukraine
Geheime Verhandlungen mit der Opposition
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza
Schuldenbremse und Sondervermögen
„Geht die Union auch heimlich kiffen?“
Wählen mit Migrationshintergrund
Studie zu Wahlverhalten und Herkunft