piwik no script img

Kommentar BerlusconiBerlusconis Offensive

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Immer wieder ist Berlusconi in den letzten 16 Jahren totgesagt worden - immer wieder feierte er Auferstehung. Genau dies droht auch jetzt.

D as müsste Italiens Linke doch freuen: Silvio Berlusconis Partei hat sich gespalten, die Rechtsregierung droht ihre Mehrheit im Parlament zu verlieren - baldige Neuwahlen würden damit unausweichlich.

Doch die wichtigste Oppositionskraft, die Demokratische Partei unter ihrem erst vor knapp einem Jahr gewählten Vorsitzenden Pier Luigi Bersani, zeigt sich angesichts dieser Perspektive merkwürdig verzagt. "Neuwahlen? Um Gottes willen!" - dies ist die unter den Parteigranden vorherrschende Meinung. So absurd es klingt: Sie haben recht. Immer wieder ist Berlusconi in den letzten 16 Jahren totgesagt worden - immer wieder feierte er Auferstehung. Genau dies droht auch jetzt.

Berlusconi war es, der seinem parteiinternen Gegenspieler Gianfranco Fini rüde die Tür wies - wohlwissend, dass es auf schnelle Neuwahlen hinausläuft. Es ist Berlusconi, der jetzt diese Entscheidung will, Berlusconi, der schon ein neues populistisches Feuerwerk plant, Berlusconi, der den endgültigen Sieg anstrebt. Und die Chancen stehen gar nicht so schlecht. Nicht nur haben die Demokraten ihre Niederlage im Jahr 2008 immer noch nicht verarbeitet, hat es ihr äußerst blasser Chef Bersani bisher nicht vermocht, die eigenen Anhänger aus ihrer Depression zu reißen. Schlimmer noch: Seit Monaten finden sich die Akteure des politischen Geschehens allein im Regierungslager - und mit Finis Nadelstichpolitik gegen Berlusconi schien es so, als wolle Italiens regierende Rechte gleich alle Rollen im Drama besetzen, auch die der Opposition.

Mit dem großen Knall, der jetzt Berlusconis "Volk der Freiheit" auseinanderreißt, droht Italiens Opposition zum reinen Zaungast auch der kommenden politischen Auseinandersetzungen zu werden - die denkbar schlechteste Voraussetzung für einen Revanchesieg gegen Berlusconi.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!