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Kommentar Berliner Humboldt-ForumEin Schlossplatz wie im Märchen

Kommentar von Rolf Lautenschläger

Die Entscheidung der Berliner Jury für die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses ist ein Alptraum. Jetzt werden die Probleme erst so richtig losgehen. Das ist gut so.

D er Traum von der Rekonstruktion des barocken Berliner Stadtschlosses soll ausgeträumt werden. Die Jury des internationalen Architektenwettbewerbs zum Bau des Humboldt-Forums hat sich mit dem Italiener Francesco Stella dafür keinen besseren Sandmann aussuchen können. Wer die Augen schließt und sich Stellas Entwurf mit seiner Eins-zu-Eins-Kopie der historischen Fassaden, einer historischen Kuppel und noch dazu der Rekonstruktion des Schlüterhofes vorstellt, wird sich der absurden Putzigkeit bewusst, die wir uns da eben geleistet haben. Nein, nicht einmal eine Anmutung des Barocken kam heraus. Es ist statt dessen ein gähnend langweiliger Entwurf eines braven Architekten, eines Erfüllungsgehilfen nostalgischer Idolatrie. Der Entwurf ein Traum? Wohl kaum, es ist der Alptraum!

Doch mit der Radikalität dieser barocken Kopie hat sich ihre Anhängerschaft zugleich die Verunmöglichung ihrer Realisierung eingefangen. Denn der Entscheidung folgt jetzt ihre Zerlegung. Die Frage nach der Ikonographie und der Repräsentationsaufgabe für ein bauliches Symbol des 21. Jahrhunderts in der Mitte der Hauptstadt wird weiter gestellt werden. Dass die ästhetische Moderne - und damit die Gegenwart und Zukunft für ein Bild der Republik - im Zentrum ihren Ausdruck finden muss, wird bald wieder aufs Tapet kommen. Und dass selbst mit viel Handwerkertum dort keine alten Steine gehauen werden, sondern in Beton gegossene Geschichte aufzieht, wird man auch bemerken. Denn das Originale kann gar nicht bezahlt werden.

Die Jury hat entschieden, dass die Probleme am Schlossplatz nun erst richtig losgehen - und das ist auch gut so. Damit böte sich die Chance, gleich das Konzept des Humboldt-Forums ¬- nämlich seine kulturelle Nutzung mittels eines bildungsbürgerlichen Programms aus dem 19. Jahrhunderts - einer Revision zu unterziehen. Es ist richtig, die Mitte kulturell mit hohem Anspruch zu besetzen. Ob dies aber mit den Außereuropäischen Sammlungen - darunter Chiffren des Imperialismus - erfüllt wird? Wohl kaum.

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Redakteur taz.Berlin
Rolf Lautenschläger hat Kunstgeschichte und Germanistik studiert. Als Autor und seit 1993 als Redakteur der taz kümmert er sich intensiv und leidenschaftlich um die Themen Stadtplanung und Architektur alias Abriss und Aufbau.
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7 Kommentare

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  • R
    rio

    Wir sollten endlich davon wegkommen, jede Lücke in den Straßenzügen mit Glas, Stahl und Beton füllen zu müssen. Viele Architekten freuen sich natürlich über diese Berliner Spielwiese, bauen hier ihre Entwürfe, um sich selbst zu verwirklichen, dann wird eingeweiht und gefeiert mit Tam Tam und Trara. Doch die Musiker haben ihre Instrumente noch nicht ganz eingepackt, da sind jene Architekten schon längst unterwegs in den Urlaub und erfreuen sich unter südlicher Sonne an alten Gemäuern. Zurück bleibt der Berliner. Denkt sich: „Schade, wieder kein Stuck.“ und „Sieht eigentlich Scheiße aus. Aber wahrscheinlich hab ick davon keene Ahnung.“

  • KP
    klaus priesucha

    Wie schrieb ein Leser namens rathauspiefke im Tagesspiegel?

     

    "Plagiate, Surrogate, Nippes, Mon Dieu, was für eine Apotheose der Einfallslosigkeit!

    Links ein wilhelminisches Renaissance-Plagiat, nach Bombenschäden rekonstruiert. Rechts ein historisierendes "Schlosskubatur"-Surrogat.

     

    Dazwischen die brutale Schneise für die freie Fahrt der freien Bürger.

    Jetzt fehlt nur noch, dass die Schlossbrücke in Hundebrücke zurück umbenannt wird. Über Hofprediger verfügt der Dom bereits, vielleicht sollte man die Amtsbezeichnung allmählich ändern. Dieses "Stadtzentrum" dokumentiert das Berlin-Bild von phantasielosen Piefkes und Muckern. Herr, tue die Erde auf und lass diesen ganzen pseudohistorischen Bouletten- und Krämerplunder für alle Zeiten darin verschwinden!"

     

    Wo Se recht ham, ham Se recht: Allerdings, Sie sehen das mit der Schlosskulisse einseitig ästhetisch und historisch. Hier aber geht es um Geschichtspolitik!

    Wie Christoph Seils schrieb: Welch eine Symbolik! Honeckers Palast der Republik musste weichen, weil er an den sozialistischen deutschen Staat erinnerte.

     

    Klar muss werden, nie hat die DDR existiert. Über die Ansehnlichkeit von "Erichs Lampenladen" lässt sich ja streiten. Nicht aber über ein Parlament, in der außer der üblichen auch gekonnte, professionelle Volksbelustigung stattgefunden hat, an die sich die ehemaligen Untertanen des Unstaats nicht ungern erinnern. So was, nie und nimmer eine ordentliche, würdige Volksvertretung!

     

    Nicht einmal einen wahrhaftigen "Palazzo Prozzo" hat das Unrechtsregime hingekriegt; die freiheitliche Demokratur wird jetzt zeigen, wie ´s gemacht wird. Und - sollten alle finanziellen Stricke reißen – die Disney Corporation steht Gewehr bei Fuß:

     

    1-Euro-Schauspieler, die als Hofstaat den Diener machen zu haben. Besser Verdienende dürfen gegen einen guten Batzen das geliebte kaiserliche Paar spielen.

    Und multimillionäre Leistungsträger dürfen unsern Kanzler einsetzen wie absetzen nach Belieben, und uns herrlichen Zeiten entgegenführen.

    Und das Beste: Sie dürfen auch die Sps und andere verbieten. Wegen derer, dreist am helllichten Tag erfolgten, feigen Anschläge auf Geschichts- und Geschmacksbewusstsein.

     

    Eine kleine Kritik allerdings ist angebracht: Wenn schon Wiederbelebung des Vergangenen, dann keine halben Sachen: Den Dom abreißen, die Burg von 1450 wieder aufbauen, das historische Bett der Spree wiederherstellen! Nur Pferdefuhrwerke der damaligen Zeit dürfen passieren, auf angemessene Kleidung ist zu achten.

     

    Im übrigen aber;

     

    Heil dir im Siegerkranz,

    singt klaus priesucha, 26123 Oldenburg

  • AG
    A. Günther

    Das war ja wieder klar, daß die FAZ den Entwurf niedermachen würde. Aber egal. Ob es den 68´er Feuilletonisten recht ist oder nicht: mit dem Beschluß wird dem Gesamtensemble ein höherer Stellenwert eingeräumt als einem erneuten Solitair, der spektakuläre Kontraste zwischen Alt und Neu verspricht und beim Angucken nur Bauchschmerzen macht. Begreifen Sie endlich, daß die sog. "Moderne" es in der Zeit nach dem Krieg noch nicht geschafft hat, auch nur einen einzigen Platz mit Verweilqualität für die Menschen zu schaffen. Stattdessen verunstaltet sie unsere Städte mit ihrer "Form follows function"-Architektur: quadratisch, praktisch und das war´s dann schon. Kubistische oder dekonstruktivistische Bauten in verschiedenen Ausformungen, die sich nur vom Material (unterschiedlich große Anteile an Glas und Stahl)und der Anzahl und Lage ihrer Fenster unterscheiden. Schmückende, dem Auge schmeichelnde Elemente sucht man vergeblich. Gott sei Dank besinnen sich zunehmend viele Architekten auf die alte europäische Architekturgeschichte und nimmt die Spur wieder auf, welche die Bauhäusler seinerzeit verlassen haben.

  • M
    michaelbolz

    Bravi! Äh! O!

  • J
    Jochen

    Mir will das hinter diesem Kommentar stehende lineare Geschichtsbild immer weniger einleuchten. Warum um Himmels willen soll eine barocke Fassade nicht schlichtweg deshalb rekonstruiert werden, weil viele nicht avantgardistische Menschen wie ich sie einfach nur schön finden? Warum muss Zerstörtes unwiederbringlich sein? In Deutschland herrscht wahrlich kein Mangel an (gelungener wie missratener) architektonischer Moderne und warum soll nie Dagewesenes per se besser sein als Rekonstruiertes? Wenn alte Formen mit neuer Technik hergestellt werden ist das für mich kein Grund zum Naserümpfen. Meiner Meinung nach, passt der Siegerentwurf hervorragend ins Zentrum Berlins. Die Kästen in der Umgebung bleiben ja stehen. Soll die Avantgarde sich sonstwo austoben, auf dem Berliner Schlossplatz vermisse ich sie jedenfalls nicht.

  • H
    Historik-atü

    Als ausgesprochener Nicht-Berliner aber Historik-Freund begrüße ich es das Stadtschloß wieder aufzubauen jedoch sollte das Stadtschloß dann

    auch Stadtschloß heißen und nicht Humboldt-Forum auch wenn das Humbolt-Forum mit Bibliothek dort einziehen wird.

    Kurzum Stadtschloß ist Stadtschloß -dieses sollte immer viele kulturelle Veranstaltungen, Foren und

    Diskussionen führen und frei öffentlich Tag und Nacht für die Allgemeinheit geöffnet sein.-

    Gleichzeitig sollte man auch den Palast der Repuplik als kutlturelleS Erbe an anderer Stelle wieder orignialgetreu herstellen.(gegebenfalls mit anderen Baustoffen ohne Asbest)-

    Nur mit der Errichtung beider Bauten kann Berlin wahre Geschichte repräsentieren.

  • RS
    Rudolf Stüben

    Ein Kommentar der " üblen " oder besser, üblichen Art. Besserwissender Journalist (Clement ist auch so einer ) erteilt Noten an einen ihm unbekannten Architekten aus Bella Italia. Nur weil ein " Grüner " (Wohlstands-Protestierer ) unqualifiziert meckert ? Gut ist, daß ein " Ausländer " unaufgeregt einen schlüssigen Entwurf vorlegt. Bisher haben Italiener immer dort, wo sie als Architekten und/oder Bauherren tätig wurden , ansehnliches und angenommene Bausubstanz hinterlassen . Darauf können besonders wir Deutsche als Bauhaus-Feteschisten bestens vertrauen. Man schaue sich in der Welt um.

    Es ist nur zu hoffen, daß die Politik mit ihrer Entscheidung nicht zur Abtreibung rennt, wenn etwas Druck aus der Journaile aufkommt.