piwik no script img

Kommentar BeamtenbesoldungBedrohliche Ordnungshüter

Kommentar von Benno Schirrmeister

Jedes Maß verloren hat die Bremer Gewerkschaft der Polizei. Sie nutzt ihre Funktion und deren Zwangsmittel, um persönliche Belange durchzudrücken.

J edes Maß verloren hat die Bremer Gewerkschaft der Polizei: Natürlich ist es unschön für die Betroffenen, wenn ihre Bezüge nicht gleichzeitig mit denen der Beamten anderer Bundesländer angehoben werden. Auch wenn die nicht, wie Bremen, unter Haushalts-Kuratel des Bund-Länder-Konsolidierungsrates stehen, lässt sich vielleicht sogar in diesem Umgang eine Art Ungerechtigkeit erkennen. Und selbstredend darf eine Gewerkschaft dagegen protestieren. Mit angemessenen Mitteln. Mit verhältnismäßigen Mitteln.

Davon aber hat sich die Bremer Gewerkschaft der Polizei (GdP) schon seit Längerem verabschiedet: Erst hat sie den Bremer Verzicht auf eine Bannmeile genutzt, um zur Haushaltsberatung eilende Abgeordnete physisch zu bedrängen. Kurz darauf kündigt der Gewerkschafts-Chef den örtlichen PolitikerInnen an, man werde sie im Falle einer konkreten Bedrohung wie eines Attentats nicht mehr schützen. Und jetzt ruft die Gewerkschaft dazu auf, einfach keine Bußgelder mehr zu verhängen – mit dem unmissverständlichen, aber unausgesprochenen Ziel, den Senat als Dienstherren und die Bürgerschaft als Haushaltsgesetzgeber zu erpressen. Klar, keine Knöllchen, das klingt angenehm und ähnelt, scheint’s, dem im Arbeitskampf legitimen „Dienst nach Vorschrift“. Es bedeutet aber das Gegenteil – und die Wirkung ist eher beängstigend: Die GdP behauptet mit ihrem Aufruf, dass PolizistInnen den Bereich ihres pflichtgemäßen Handelns willkürlich selbst bestimmen dürfen.

Heißt: Sie nutzen nicht ihre Bürgerrechte, sondern die Hoheit ihrer Funktion und deren Ausstattung mit Zwangsmitteln, um damit persönliche Belange durchzudrücken. Das Instrument des staatlichen Gewaltmonopols schwingt sich zu dessen Herren auf – gefahrlos, weil es kein Gegeninstrument gibt. Ja hätten die etwa Harvey Keitel in „Bad Lieutenant“ als positiven Helden und Identifikationsfigur verstanden?

Staatsrechtlich entspricht ein solches Vorgehen einem Putsch. Und es ist regelrecht bedrohlich, weil es auf ein problematisches Verhältnis der örtlichen Wachtmeisterschaft zu ihrer eigenen Rolle und Funktion hinweist.

Denn jede polizeiliche Kontrolle ist ja ein gewaltsamer Eingriff in die Freiheit der BürgerInnen. Erträglich wird er nur, wenn ihm eine Bedrohungslage entspricht und er von Befugten auf verhältnismäßige Weise durchgeführt wird. So ein Machtmittel sollte nicht in den Händen cholerischer Wüteriche mit schnellen Fäusten liegen. In Bremen ist dies nicht mehr gewährleistet.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Reporter und Redakteur
Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • M
    MariaundJoseph

    Wenn es denn nur die Polizisten wären.

    Selbst die Richter machen Dienst nach Vorschrift, urteilen derzeit im Schnellverfahren nach Aktenlage oder nicht gelesenem Gutachten ohne Anhörung und Augen zwinkernd unter Bezugnahme auf die angeblich unmenschliche Überlastung.

    Die augenscheinlich bzgl. ihres Status als Staatsdiener gedanklich/emotional völlig verlustig gegangene Beamtenschaft kann mittlerweile genauso gut von privaten Sicherheitsdiensten oder durch Fernseh-Schnellgerichte mit Andreas Türck erstzt werden.

    Hinfort mit dem Beamtenpack!

  • K
    Karl

    Aber bitte, es gibt doch keinen bürgerfreundlicheren Protest als Ordnungswidrigkeiten nur noch unentgeltlich zu ahnden. Das steht übrigens jedem Polizeibeamten zu. Im Bereich Ordnungswidrigkeiten obliegt es dem Ermessen eines jeden Polizeibeamten sie entgeltlich oder unentgeltlich zu ahnden.

     

    Ich finde das verkehrserzieherisch sogar viel sinnvoller. Eine nette Ermahnung und ein verkehrserzieherisches Gespräch wirken meistens mehr als das plumpe Verhängen eines Buß- oder Verwarngeldes.

     

    Was genau ist denn da nun Erpressung? Was genau ist daran unredlich?

  • IN
    Ihr NameLieschen Müller

    Es ist höchste zeit, dass die polizei zeigt wie abhängig die politik von ihnen ist. Ein knochenjob mit schichtdienst muss gut bezahlt werden!

  • G
    Genau123

    Seit längerem verfolge ich die Aktivitäten der GdP in Bremen mit Befremden und habe ebenfalls den Eindruck, dass vor allem der Vorsitzende jedes Maß verloren hat und den Konflikt befeuert und in neue Höhen schraubt. Ich traue dieser Polizei keinen Meter mehr über den Weg.

  • WM
    Weg mit den Landesfürsten!

    Mir scheint, lieber Benno Schirrmeister, da ist eher Ihnen das Maß abhanden gekommen.

     

    Es geht ja nicht nur um Bremen: In Ba-Wü z.B. hat der SPD-Landesvorsitzende und Finanzminister die Verschiebung der Besoldungsanpassung um bis zu einem Jahr mit der desolaten Haushaltslage begründet, um dann aber dieser Tage zusammen mit der Opposition (und gegen den Koalitionspartner GRÜNE) eine Diätenerhöhung um mehr als 3,24% (2011:4,5%; 2012: 3,2%) durchzupauken. Ich nenne sowas Heuchelei und hätte, wäre ich beamteter Personenschützer, auch vorübergehend mal etwas weniger Lust, meinen Kopf hinzuhalten, wenn diesem und den anderen Heuchlern jemand an die Wäsche will.

     

    Unser Problem ist, dass in unserem gescheiterten und verkrusteten föderalen System viel zu viele völlig entbehrliche Nichtsnutze, vom Ministerpräsidenten (13) über Minister, Staatssekretäre, Abgeordnete mit Mitarbeitern, und viele Beamte in der Infrastruktur (wenigstens die ließen sich sicher anderswo sinnvoll einsetzen) Jahr für Jahr viele Milliarden abgreifen, die anderswo fehlen. Schreiben Sie doch mal darüber, Benno Schirrmeister. Dafür oder dagegen, egal - einfach als Diskussionsbasis.

  • CH
    Caspar Heybl

    Das scheint eine gute Gelegenheit zu sein, noch einmal das Streikrecht von BeamtInnen zu diskutieren. Lieber hab ich streikende Polizistinnen oder Lehrer, als welche, die ihren Job nur auf Sparflamme machen. Vielleicht sollte die GdP mal bei den KollegInnen von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft nachhaken, wie weit die GEW auf dem europäischen Rechtsweg zu diesem Thema gekommen ist, und sie dabei unterstützen...

  • OV
    Olav van Gerven

    Es mag als Journalist unvorstellbar sein, aber es ist für die Beamten in Bremen ein Punkt erreicht, an welche wenig anderes übrig bleibt als absolut nach Vorschrift zu handeln. Überstunden, nicht zuletzt verursacht durch politische Fehlentscheidungen, in Mengen die ein jeder Betrieb in der Privatwirtschaft ärger mit der Arbeitsschutz besorgen würden. Risiken ausgesetzt werden weil sie geschworen haben Menschen zu helfen. Das für eine Bezahlung, die in andere Bundesländer berechtigt als inaddäquat betrachtet wird, beschlossen von einer Bürgerschaft, die der eigenen Diätenerhöhung wichtiger erscheint als alles andere.

    Nein, ich bin kein Polizeibeamter und auch kein "andere" Beamter, sondern ganz normaler Angestellter. Und nein, ich kann mich auch nicht anfreuen mit dem Aufruf der GdP, aber ja, ich kann Verständnis dafür aufbringen, weil andere legale Möglichkeiten nicht gegeben sind.