Beamtenbesoldung: Meuterei auf der Dienststelle

Die Polizisten in Bremen begehren auf, weil sie nur teilweise und zeitverzögert mehr Geld bekommen sollen. Gewerkschaftler sprechen von einem „Skandal.

Wollen in andere Bundesländer versetzt werden: Beamte des Bremer Sondereinsatzkommandos (SEK). Bild: dpa

BREMEN taz |In der Bremer Polizei gärt es. Und zwar sowohl bei jenen Landesbeamten, die nun etwas mehr Geld bekommen werden. Und erst recht bei denen, für die Rot-Grün heute eine Nullrunde beschließen will – weil sie ohnedies weiter oben in der Besoldungstabelle stehen. „Die größten Feinde sitzen nicht im Gefängnis, sondern im Senat“, sagte einer auf der gestrigen Personalversammlung. 800 PolizistInnen kamen. Und applaudierten lange.

Anlass der Auseinandersetzung ist das neue Beamtenbesoldungsgesetz, das heute im Parlament verabschiedet werden soll. Es sieht vor, dass Beamte in Bremen später und auch nur teilweise mehr verdienen sollen (siehe Kasten) – also bei der Gehaltserhöhung sowohl im Vergleich zu den bremischen Angestellten als auch zu den Beamten umliegender Länder benachteiligt werden.

Bremen spart so 30 Millionen Euro in diesem und 60 Millionen im kommenden Jahr, sagt die grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert. Sie nennt das „der Haushaltslage angemessen“ und „sozial gestaffelt“. Die Polizeigewerkschaft nennt das „unsozial“, „verfassungswidrig“ und spricht von einem „Besoldungsskandal“. Und der Chef des Landeskriminalamtes nennt es „Willkür“, wenn Beamte in Bremen nicht gleich behandelt würden mit den anderen Angestellten des öffentlichen Dienstes.

Seit 2006 dürfen die Länder selbst entscheiden, wie viel sie ihren BeamtInnen zahlen. Die Bezüge driften seither auseinander.

In Bremen sollen BeamtInnen zum 1. Juli 2,65 Prozent mehr bekommen, wenn sie maximal nach A 10 besoldet werden. Wer mit A 11 oder A 12 eingestuft ist, also einem Einstiegsgehalt von 2.700 bis 2.900 Euro, soll nur ein Prozent mehr bekommen, wer mindestens 3.200 Euro im Monat hat, nichts.

In Hamburg und Niedersachsen bekommen alle Landesbeamten rückwirkend zum 1. Januar 2,65 Prozent mehr, in Schleswig-Holstein bekommen alle Landesbeamte ab dem 1. Juli 2,45 Prozent mehr Gehalt.

LehrerInnen, die A 13 bekommen, verdienen in Bremen etwa 200 Euro weniger als in Hamburg.

Doch es geht gar nicht nur um mehr Geld. „Für Wertschätzung und Respekt“ steht über dem Aufruf zur gestrigen Demo auf dem Marktplatz, zu dem 600 Menschen gekommen waren, darunter LehrerInnen, Feuerwehrleute oder RichterInnen und StaatsanwältInnen in schwarzer Robe. Sie alle sprechen von „Wut“ und „Frustration“. Immer wieder ist auf der Personalversammlung vom „verlorenen Vertrauen“ die Rede, von „sinkender Motivation“. Und von der „Gutsherrenart“, mit der Rot-Grün der Polizei begegne.

Nun haben die Polizeigewerkschaftler den „bürgerfreundlichen Sommer“ ausgerufen – statt Bußgelder zu verhängen und Knöllchen zu verteilen, sollen die Polizisten nur noch mündlich verwarnen. Auf dem Marktplatz gaben allerlei PolizistInnen ihre Diensthandys ab – sie sind ein Symbol für nicht vergütete Mehrarbeit, für fast 300.000 nicht bezahlte oder abgefeierte Überstunden. Zahlreiche Polizeibeamte ließen ihre Nummern aus dem telefonischen Alarmierungssystem streichen. Und 33 – also fast alle – Polizisten des Sondereinsatzkommandos SEK wollen nun in ein anderes Bundesland versetzt werden. Doch der Protest ist nicht auf die Polizei beschränkt: Richter kündigten an, angehende JuristInnen nicht mehr zu prüfen, wenn sie nicht dazu verpflichtet sind.

Von den eingeladenen SenatorInnen war an diesem Tag keiner zur Personalversammlung der Polizei gekommen; sie fehlten unentschuldigt. Gekommen war Staatsrat Holger Münch – der bis vor Kurzem noch Polizeipräsident war. Er will die Gehaltsentscheidung seiner Regierung gegenüber den ehemaligen KollegInnen „ausdrücklich nicht kommentieren“ oder „verteidigen“. Auch bei der Kritik an deren Protestformen hält er sich zurück, nennt den „bürgerfreundlichen Sommer“ nur „kontraproduktiv“. Er erntet Pfiffe. Münch behilft sich mit einem Zitat von Bürgermeister Jens Böhrnsen, der schrieb, dass so eine Entscheidung „wohl nicht wieder“ zu treffen sei. Die Polizisten reagieren mit höhnischem Gelächter.

Es ist sehr lange her, dass in Bremen Beamte genau das bekamen, was der Tarifabschluss Angestellten zubilligte. Selbst Polizeichef Lutz Müller sieht „keine überzeugenden Argumente“ für die unterschiedliche Besoldungsanpassung. „Die Folgen sind noch nicht überschaubar“, sagt Müller und spricht von „Schadensbegrenzung“. Zugleich warnte er vor „staatlicher Willkür“ beim Umgang mit Ordnungswidrigkeiten.

In einer Resolution forderten die Beamten das Parlament auf, die für heute angesetzte Entscheidung aufzuschieben. Der Bürgerschaftspräsident räumte dem nur „geringe“ Chancen ein.

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