Kommentar Bankenkrise: Der ängstliche Staat
Die Bundesregierung hat einen Haufen Geld in die Commerzbank gepumpt - und will jetzt nicht einmal in deren Geschäftspolitik einmischen. Eine gefährliches Zögern.
Malte Kreutzfeldt leitet das Ressort Ökologie und Wirtschaft.
Der Staat wird Großaktionär bei der Commerzbank: Diese Nachricht ist eine Sensation. Sie zeigt in aller Deutlichkeit, wie sich das Machtgleichgewicht zwischen Politik und Wirtschaft verschoben hat. Die Führungsebenen in den Frankfurter Bankentürmen sind entzaubert. Angesichts der Krise hat die Politik derzeit Handlungsmöglichkeiten, die Finanzwelt in eine neue Richtung zu steuern.
Doch faktisch passiert das Gegenteil: Die Bundesregierung hat sich nicht nur mit einem 25-Prozent-Anteil begnügt, obwohl sie der Commerzbank viermal so viel gegeben hat, wie diese derzeit insgesamt an der Börse wert ist. Sie will diesen Anteil offenbar noch nicht einmal für ernsthaften Einfluss nutzen. In die Geschäftspolitik werde man sich nicht einmischen, heißt es aus dem Finanzministerium; SPD-Chef Franz Müntefering bestreitet sogar, dass es sich um eine Teilverstaatlichung handelt. Ähnlich wie bei der Rezession, die von der Bundesregierung erst lange Zeit bestritten und dann nur zögerlich und zunächst unter strikter Vermeidung des Wortes Konjunkturprogramm bekämpft wurde, weigert sich die Politik auch bei den Banken, die Realität anzuerkennen und in der Krise endlich reale Verantwortung zu übernehmen.
Dabei gäbe es zweifellos genug zu tun: Der aufgeblähte Bankensektor muss auf seine Kernaufgaben reduziert werden und schrumpfen. Geldfluss und Kredite müssen sichergestellt werden, riskante, auf Steuervermeidung ausgelegte Geschäftsmodelle gehören gestoppt und die Renditeerwartungen wieder auf ein realistisches Maß gestutzt.
Andere Staaten haben deutlich schneller und entschlossener auf die neuen Herausforderungen und Chancen reagiert. In Deutschland aber zeigen sich die politischen Akteure, die jahrelang an Deregulierung und die Macht des Marktes geglaubt haben, unfähig zu einem Paradigmenwechsel. Während in der Bevölkerung das Vertrauen zu den - öffentlichen und krisenfesten - Sparkassen immer weiter steigt, hält die Angst vor einem teilverstaatlichten Bankensektor in der Regierung weiter an. Diese Angst des Staates vor sich selbst können wir uns nicht länger leisten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pressekonferenz in Mar-a-Lago
Trump träumt vom „Golf von Amerika“
Bürgergeld-Populismus der CDU
Die Neidreflexe bedient
Verkehrsranking
Das sind die Stau-Städte
Anbiederungen an Elon Musk
Der deutsche Kriecher
Religionsunterricht
Deutschlands heilige Kuh
Habeck-Werbung in München
Grüne Projektion