Kommentar Bahnreform: Frontmann zwischen allen Fronten
Becks vermeintlicher Erfolg bei der Bahnreform zeugt von der Zerrissenheit der SPD. Und die Linke ist unversöhnlicher denn je.
K urt Beck ist die Sabine Christiansen der SPD. Er redet viel, kompliziert, weitschweifig - und am Ende nicken alle Genossen verwirrt. So hat auch der SPD-Parteirat nun den Kompromiss zur Bahnreform abgesegnet, für den sich Beck starkgemacht hat. Glücklich sind die Sozialdemokraten deshalb nicht: Die Parteirechten um Finanzminister Peer Steinbrück haben nur zugestimmt, weil so der Einstieg in die Privatisierung geschafft ist. Und die schwachen Linken wagen derzeit noch keinen Aufstand, obwohl sie erst vor einem halben Jahr das Modell der Volksaktie auf dem Hamburger Parteitag durchgesetzt hatten.
Daniel Haufler ist Redakteur im Meinungs-Ressort der taz.
Becks vermeintlicher Erfolg zeugt also nicht von der Geschlossenheit der Partei, sondern von ihrer Zerrissenheit. Der Kompromiss verdeckt, dass die SPD-Flügel so zerstritten sind wie seit Jahrzehnten nicht. Die sogenannten Modernisierer um Steinmeier und Steinbrück wollen schlicht die Politik von Gerhard Schröder fortsetzen: Hartz IV erhalten, Steuervergünstigungen für Unternehmen statt für Bürger, staatliches Sparen statt Investieren, Lohnzurückhaltung statt Lohnerhöhungen.
Ihnen stehen unversöhnlicher denn je die Linken gegenüber. Sie hatten nach Schröders Abgang eine Resozialdemokratisierung forciert.
In Hamburg setzten sie ja nicht nur die Volksaktie durch, sondern ein neues Programm, das sogar
die Perspektive eines "demokratischen Sozialismus" reaktivierte. Und das bedeutete auch: Eine gerechteren Verteilung des Wohlstands sollte wieder Ziel der SPD-Politik sein.
Pustekuchen. Seit dem Hamburger Parteitag gilt wieder der alte Gegensatz: hier Programm, da Praxis. Hier idealistische Linke, da pragmatische Realos. Dieser Konflikt bricht fröhlich in jedem
Politikfeld auf: von der Gesundheitsreform über die Rente bis zur Bahnreform. SPD-Chef Kurt Beck steht stets zwischen diesen Fronten, und das ziemlich allein. Sein Motto kann angesichts der verfeindeten Flügel nur "Versöhnen statt spalten" sein. Doch wie einst Johannes Rau wird er so im besten Fall bloß verhindern, dass die Partei auseinanderbricht. Das wäre schon eine beachtliche Leistung. Wahlen gewinnt er so jedoch nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!