Kommentar Bahn: Privatisierung hat Zeit
Es gibt gute Gründe, Netz und Betrieb bei der Bahn zu trennen. Doch noch ist die Zeit nicht gekommen, es fehlt ein ausgereiftes Konzept.
W as ist denn nun los? Da hat die SPD-Basis auf dem Parteitag einen Sieg errungen und strenge Vorgaben für die Bahn-Privatisierung gemacht. So streng, dass - um mal die Kampfbegriffe zu benutzen - eine "Zerschlagung" des Konzerns durch "Heuschrecken" ausgeschlossen sein sollte. Und nun wird in der Koalition plötzlich ein Modell aus dem Bundesfinanzministerium diskutiert, dass auf eine Trennung von Netz und Betrieb hinausläuft. Die CDU, FDP und Grüne können sich freuen, weil sie das ja eigentlich wollen. Und die Privatisierungsgegner in der SPD stehen verdutzt da.
Dabei gibt es ja gute Gründe, für eine Trennung von Netz und Betrieb zu sein. Der Staat als Besitzer der Schienen und Bahnhöfe hätte anders als die Deutsche Bahn ein echtes Interesse an Wettbewerb. Denn je mehr Züge fahren, umso höher wären die Einnahmen. Und der Kunde würde ebenfalls profitieren, weil mehr Wettbewerb sinkende Preise bedeutet. Das war in der Telekom-Branche so, das war anfangs auch beim Strom so und würde dort weitergehen, wenn die Netze nicht mehr in der Hand der großen Konzerne lägen. Wenn die Politik daraus bei der Bahn-Privatisierung lernen würde, wäre das zu begrüßen.
Allein - es wird nicht so kommen. Zumindest nicht so schnell. So leicht können sich die Privatisierungsgegner nicht vom Parteigenossen Steinbrück auskontern lassen. Auch Verkehrsminister Tiefensee würde endgültig zum Pappkameraden, wenn er jetzt einem Konzept zustimmt, das seinem bisherigen Privatisierungsgesetz komplett zuwider läuft. Zudem wird Bahnchef Mehdorn seine Ansprüche auf das Netz nicht aufgeben.
So wird die Koalition sich am Montag wohl nur auf Prüfaufträge verständigen. Und das ist, bei allem gegenwärtigen Chaos, eine gute Idee. Die Privatisierung der Bahn ist zu bedeutend, als dass sie mit halbgaren Konzepten realisiert werden könnte. Es geht nicht nur um Milliardensummen, sondern auch um eine zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur. Die Privatisierer sollten sich weder von Wahlterminen noch vom geplanten Börsengang unter Zeitdruck setzen lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken