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Kommentar Bahn-PR-SkandalNur gute Nachrichten - ehrlich!

Kommentar von Steffen Grimberg

Mit verdeckter Medienarbeit hat die Bahn versucht die öffentliche Meinung zu manipulieren. Schuld haben auch die Medien, die kostenlose Beiträge ohne Prüfung einfach übernehmen.

N och ist nicht ganz klar, woraus das millionenschwere Rundum-sorglos-Medienpaket der Bahn im Einzelnen bestand. Das angepeilte Ziel liegt aber durchaus offen: Im Sinne des Konzerns sollte Einfluss auf die freie Berichterstattung wie auf die öffentliche Meinung genommen werden, vor allem zur Zeit der kontrovers diskutierten Frage des Börsengangs und des Streiks der LokführerInnen. Es geht um Leserbriefe, Meinungsumfragen, Radiobeiträge, fertige Artikel - scheinbar alle unabhängig und von honorigen Absendern stammend. In Wahrheit war das ganze aber geschickte PR des Nochstaatsunternehmens.

Bild: taz

Steffen Grimberg ist Medienredakteur der taz.

Nun werden die dafür Verantwortlichen bei der Bahn entlassen. Ralf Klein-Bölting, der Generalbevollmächtigte für Marketing und Kommunikation, ist schon weg. Das klingt auf den ersten Blick honorig und konsequent. Doch geschieht es wohl kaum, weil man im allgemein wenig zimperlichen PR-Geschäft nicht trickst. Sondern allein deswegen, weil es herausgekommen ist.

Die Bahn ist aber kein Einzelfall. Der jetzt von LobbyControl enthüllte Skandal taugt höchstens als besonders üppig finanziertes Beispiel für solche No-Badge-Kommunikation, also die verdeckte Öffentlichkeitsarbeit ohne - oder unter einem falschen - Absender.

Das System ist so einfach wie verlogen: Unternehmen, Lobbyverbände oder unlängst auch Bundesministerien bezahlen zumeist freie JournalistInnen oder entsprechende Pressebüros. Und diese treten dann mit fertigen Artikeln oder Hörfunkbeiträgen an die Redaktionen heran. Weil die heiße Ware ja schon einmal bezahlt wurde, sind solche Angebote häufig günstig oder gleich kostenlos zu haben - kein schlechtes Argument in Zeiten knapper Kassen bei Zeitungen, Zeitschriften oder vielen Sendern.

Die Deutsche Bahn AG befindet sich hier in bester Gesellschaft: 2007 geriet das Bundeswirtschafts- und das Familienministerium wegen verdeckter PR in die Schlagzeilen, 2008 folgte das Gesundheitsministerium. Auch damals ging es unter anderem um vorproduzierte Hörfunkbeiträge.

Und die Antwort der Bundesregierung auf eine noch kein Jahr alte Kleine Anfrage aus der Linke-Fraktion im Bundestag zum Thema spricht Bände - denn sie steht für die bis heute bei den Auftraggebern solcher PR-Tricks üblichen Auffassung: Man vertrete die "Ansicht, dass es Aufgabe der Medien selbst ist, die ihnen verfassungsrechtlich eingeräumte Freiheit verantwortungsbewusst wahrzunehmen", hieß es im Juli 2008. Das meint im Klartext: Der Absender ist doch eigentlich unschuldig, schließlich müssen die Medien solches Material nicht übernehmen, sondern seien im Gegenteil im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht ohnehin gehalten, alles nochmal gegenzuchecken.

Dummerweise stimmt das sogar: Redaktionen, die kostenlose Angebote ungeprüft übernehmen, dürfte es eigentlich genauso wenig geben wie solche No-Badge-PR.

Doch die Lage im immer hektischer werdenden Mediengeschäft hat die früher gern beschworene Waffengleichheit kippen lassen: Während mehr und mehr Medienhäuser Redaktionen zusammenstreichen, Honorare kürzen und während im Rattenrennen um "Online First" die Recherchezeit gegen null tendiert, sind die PR-Stäbe und ihre Handlanger von Jahr zu Jahr besser ausgestattet.

Die Deutsche Bahn AG steht nun sogar unter dem Verdacht, über die von ihr beauftragte PR-Firma Eppa gleich noch einen ganzen Thinktank namens Berlinpolis mitfinanziert zu haben. Dort wird derlei allerdings energisch dementiert, auch wenn die Themenparallelität - Berlinpolis beschäftigte sich 2007 intensiv mit der DB AG, dem Lokführerstreik und dem Bahn-Börsengang - auffällt.

Wie dem auch sei: Berlinpolis selbst jedenfalls macht aus seinen Anliegen gar kein Hehl: Was das "Botschaftenprägen" angehe, sei man "nicht unerfolgreich", sagte noch Ende März einer der Berlinpolis-Geschäftsführer - im "Täglich Talk" des DB-AG-eigenen Werbekanals Bahn TV. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt?

Natürlich nicht. Schließlich haben viele JournalistInnen ja auch die Journalisten-Bahncard der Deutschen Bahn AG - denn die kostet nur die Hälfte: Und wird wie alle von Unternehmen gewährten Journalisten-Rabatte von A wie Air Berlin bis T wie Telefontarif natürlich ganz ohne jeden Hintergedanken ausgeteilt. Oder etwa nicht?

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5 Kommentare

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  • A
    Andreas

    Ich denke, dass dies ein Riesenskandal ist, denn hier kommt raus, dass die Bahn eine Medienmanipulation mit geradezu krimineller Energie betrieben hat. Insofern finde ich den Kommentar noch ziemlich lieb.

    Wer in den letzten Jahren die Bahn genutzt hat, man steht als umwelt-freundlich-denkender Mensch ja geradezu unter Druck dies zu tun, der konnte erleben, wie mies der Service und die Leistungen waren.

    Ich nahm irgendwann entnervt das Auto, um zu einem Gespräch zu fahren, weil ich mir einfach nicht sicher war, ob die Bahn wirklich ihre Verbindungen halten würde.

    Und das erzählte ich dann auch und plötzlich fingen alle an, negative Storys über die Bahn zu erzählen.

    Dass die Bahn sowas nicht gerade gerne in Foren, Kommentierungen oder Blogs haben will, kann ich noch verstehen. Dass sie im Gegenzug zur Medienmanipulation greifft, finde ich kriminell und unverschähmt. Wahrscheinlich betreiben noch Hunderte anderer Verbände, Unternehmen und Parteien diese Art von Dirty-PR. Bei Hartz-IV tratt ja der Berliner Finanzsenator mit sonderbarsten Thesen auf und schob jedes Mal eine Debatte über faule, parasitäre, überernährte, rauchende, Chips-freßende und auf dem Sofa-lebende Arbeitslose an.

    Das könnte ja Teil einer Strategie gewesen sein, den Bürgern zu vermitteln, dass es sich bei Empfängern von ALG II um parasitäres Gesocks handelt, damit sich keiner über die zahlreichen Flops und Skandale des Gesetzes wundert.

    Überhaupt liest man in Zeitungen und Zeitschriften kaum noch negative oder kritische Berichte zu diesem Thema. Nun verdienen Spiegel-Redakteure ziemlich gut und lieben mit Sicherheit keine Steuererhöhungen oder exobarbitante Sozial-Etats. Aber: Wer sich die Berichte durchliest, stellt fest, dass es dpa-Meldungen über ALG II und den 1-EURO-Job gab, die kaum aufgegriffen wurden. Zum Beispiel, dass in 75 Prozent aller 1-EURO-Jobs niemand geprüft hat, ob das Gesetz überhaupt eingehalten wurde. In Hamburg vermittelte eine Beschäftigungsgesellschaft massiv in diesen 1-EURO-Job - illegal. Das durfte nämlich nur die ARGE, inzwischen ist sie auch dort eingezogen. Dazu fehlt jeder Bericht.

    Das scheint meiner Meinung nach auch etwas damit zu tun haben, dass PR-Agenturen bis ins Detail eine Manipulationsstrategie entwickeln und dabei auf bestimmte Mittel setzen können: Werbeetas können heute schnell entzogen und andererwertig plaziert werden.

    Alleine das Arbeitsministerium schaltete Anzeigen in Milliarden-Höhe. Ein Schelm wer Böses dabei denkt!

    Ich hoffe, dass es jetzt Investigationsjournalismus über diese neue Form von PR und Public Affairs und Lobby-Arbeit geben wird. Ich verzichte inzwischen auf viele Medien und lese gerne taz - hier gibt es zu wenig Anzeigen, daher wohl auch wenig Manipulation, aber einige schaffen das über sehr ausgeklügelte Wege auch hier.

    Dazu kommt noch dieser Verein Berlinpolis, der inzwischen auf seiner Webseite reagiert hat und alles einem ausgestiegenen Geschäftsführer in die Schuhe schiebt. Inzwischen steht dort, dieser e.V. sei eine GmbH. Ich hoffe, dass die berliner Behörden sich mal ansehen, was das eigentlich ist, dieser Think-Tank ist doch eher eine Manipulationstruppe, die Umfragen machen, wo das Ergebnis bereits feststeht. Das war ja im Zusammenhang mit einem Streik - eine entsprechende Meldung lief über Tausende Web-Seiten und Zeitungen und Zeitschriften - Zum Schaden der Gewerkschaft, der Beschäftigten und ihrer Forderungen. Ich kann mich damals daran erinnern, dass es in einer Zeitschrift stand, dass der Gewerkschaftsvorsitzende mehrere Ferraris besäße. Die seien alle alt und gebraucht gekauft. Das kam für diese Gewerkschaft auch nicht gerade gut, ob das stimmte, kann ich nicht mal sagen.

  • RK
    renate kreutzfeld

    es ist fast nicht zu glauben

  • K
    kricket

    schöner Artikel! Vielen Dank!

  • FW
    Friedrich W. Fack

    Ich weiß nicht, wieso sich Redakteure an solchen Petitessen wie bezahlten Leserkommentaren hochziehen können. Ob jemand bezahlt oder aus Überzeugung einen Leserbrief verfaßt, ist in einem marktwirtschaftlichen System wie dem unsrigen nachrangig - auch wenn dieser Umstand nicht ganz den kommunistisch inspirierten Träumereien eines Redakteurs der taz entsprechen mag.

     

    Stattdessen sollten die Journalisten ihren Blick lieber auf die Entwicklung der Bahn in den letzten Jahren lenken. Bei dieser handelt es sich um eine einzigartige Erfolgsgeschichte! Die Bahn ist zu einem hocheffizienten Fienstleistungsunternehmen geworden, einem Vorbild auch für andere ehemalige Staatunternehmen in Deutschland. Mittlerweile gehört sie zu den führenden Mobilitäts- und Logistikunternehmen der Welt: Sie ist unter anderem die Nummer 1 im Schienengüterverkehr in Europa sowie im europäischen Landverkehr, die Nummer 2 bei der Luftfracht weltweit, die Nummer 3 bei der Seefracht weltweit!

     

    Gekrönt werden könnte diese Entwicklung durch den Gang der Bahn an die Börse. Leider fehlt es an publizistischer Unterstützung, um dieses Unterfangen auch politisch durchsetzen zu können. Vielleicht könnten darum auch die Redakteure der taz darüber bei Gelegenheit nachdenken und entsprechende Empfehlungen in ihrem Blättchen aussprechen!

  • H
    Hana

    Dieser Kommentar ist mir zu zimperlich. Seit einiger Zeit werden in zahllosen Medien immer wieder bestimmte Positionen von Verbänden, Parteien und Unternehmen wiederholt. Nachdem die Commerzbank sich das Finanzpaket sicherte, dort die Vorstände 500.000 EURO einstrichen - auf Steuerzahlerkosten - stand in fast keiner Zeitung oder Zeitschrift etwas über die Commerzbank. Im Gegenteil es wurde sogar an einigen Stellen publiziert, die Commerzbank sei das Opfer Dresdner Bank, die habe unglaubliche Verträge in der Schublade liegen gehabt, alle regten sich auf und echauffierten sich, wuschen sich die Hände rein. Derweil präsentiert die Commerzbank zur besten Sendezeit das Wetter und schießt Millionen in den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk bzw. deren TV.

    Ein Schelm wer böses dabei denkt, aber wie kann man so gut davonkommen, wenn alles gegen einen steht?

    Lobbyismus gepaart mit PR (Public Affairs) führt in meinen Augen zu Milliarden-Schäden für die Steuerzahler, Wähler und Bürger, weil sie Intrasparenz zum Ziel haben. Bei der Commerzbank will niemand wie Flick (einst vom Spiegel) zerlegt werden. Da werden dann schon im Vorfeld Millionen verteilt und ganze Mediengruppen eingekauft.

    Dieser Verein hier hat doch ganz offensichtlich nicht gemeinnützig gearbeitet? Oder kann man in Deutschland einen Verein gründen, der gezielt Kampagnen macht und speziellen Interessen konsequent dient? Irgendwo ist Geld geflossen.

    Die Bahn zeigt meiner Meinung nach nicht, was wirklich passiert und wie weit dieses Business schon gekommen ist.

    In Wag the Dog trifft Robert De Niro als Rund-Um-Berater auf Leute vom CIA und schlägt die letztlich in die Flucht, weil die Illusion auch vor Geheimdiensten nicht halt macht. Aber heutezutage hauen PR- und Lobbyfirmen in die Tasten und manipulieren unser Leben. Eventuell hätte es längst eine Debatte über die vielen Probleme durch Hartz-IV gegeben. Eventuell hätte die Bahn ihre ganzen Probleme an der Öffentlichkeit wiedergefunden, eventuell hätte die Bahn nicht den Transnet-Chef gekauft --- eventuell wäre Wolfgang Clement nicht zum Millionär nach seiner Ministerzeit aufgestiegen.

    Es werden momentan viele Geschäfte gemacht und es wird dafür ein ganz dicker Preis bezahlt.

    Der Schaden durch solche Lobby-Arbeit ist gewaltig, weil das öffentliche Interesse effektiv geschreddert und verändert wird.

    Das sollte man mal in einer längeren Analyse auch darstellen. In Berlin besteht zudem kein Mangel an Infos über diese Akteure, im Gegenteil die feiern sich fröhlich selbst.