piwik no script img

Kommentar Bahn-GewerkschaftTransnet hat seine Mitglieder verraten

Kommentar von Andreas Wyputta

Auch Transnet hat Daten missbraucht. Stärker kann sich eine Gewerkschaft nicht diskreditieren, tiefer kann sie nicht sinken.

I m Datenskandal der Bahn bringt der Chef der Gewerkschaft Transnet, Alexander Kirchner, jetzt Strafanzeigen gegen entlassene Vorstände ins Gespräch. Per Datenabgleich überprüfte Bahn-MitarbeiterInnen hätten Anspruch auf "moralische und wirtschaftliche Wiedergutmachung", glaubt der Gewerkschaftsboss.

Doch Kirchner sollte zu den illegalen Machenschaften des Bahn-Vorstands besser schweigen: Offenbar hat auch seine Gewerkschaft Daten missbraucht. Um abzuklären, ob die eigenen Mitglieder ihre Beiträge satzungsgemäß abführen, hat Transnet Datenabgleiche durchführen lassen. Selbst Ende 2008 soll der damalige Transnet-Chef Lothar Krauß noch um Überprüfung gebeten haben.

Im Klartext heißt das: Die Arbeitnehmerorganisation Transnet hat den Arbeitgeber Deutsche Bahn aufgefordert, die eigenen Mitglieder auszuspionieren - weil sie ihnen misstraut.

Mag Transnet auch argumentieren, die Arbeitnehmer hätten eine solche Überprüfung schon per Aufnahmeantrag gebilligt, mag die Konkurrenz von der Verkehrsgewerkschaft GDBA einen ähnlichen Passus in ihren Statuten haben: Stärker kann sich eine Gewerkschaft nicht diskreditieren, tiefer kann sie nicht sinken. Transnet hat die eigenen Mitglieder verraten, sich zum Komplizen der Gesetzesbrüche des Bahn-Vorstands gemacht.

Kirchner muss jetzt aufklären - aber im eigenen Haus. Die Transnet-Mitglieder haben ein Recht zu erfahren, wie tief der Filz zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber wirklich reicht: Schließlich hinterließ nicht nur die Mutation von Kirchners Vorvorgänger Norbert Hansen zum Arbeitsdirektor der Bahn ein Geschmäckle.

Transnet-Chef Kirchner ist jenseits aller persönlichen Verantwortung angeschlagen. Für die demokratische Kontrolle des Staatskonzerns Bahn ist das die größte anzunehmende Katastrophe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Inlandskorrespondent
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • VP
    Volker P.

    Der eigentliche Verrat liegt in dem jahrelangen Schmusekurs mit der Bahn AG. Transnet machte und macht bei der Bahnprivatisierung mit. Inklusive Lohnverzicht, massivem Arbeitsplatzabbau und verschlechterung der Arbeitsbedingungen.

    Das eine Gewerkschaft darauf schaut, wer in der Solidargemeinschaft mitfährt (Tariferhöhungen, Beratung, Rechtsschutz erhält) aber seinen Anteil nicht voll einbringt (also seine Kollegen für sich mitbezahlen lässt) ist grundsätzlich legetim. Allerdings kungelt man dazu nicht mit der Gegenseite. Die Transnetfunktionäre an der Spitze (nicht die einfachen Betriebsräte und Aktivisten an der Basis) machen sich schon lange der Kollaboration (euphemistisch "Sozialpartnertschaft") mit dem Bahnvorstand schuldig und helfen bei der Ausbeutung der Kollegen. Früher gabs dafür einen Begriff: Arbeiterverräter.