Kommentar Bahn-Entschädigungen: Wartezeit ist Geld

Höhere Verspätungsentschädigungen würden aber nicht nur den Bahnkunden nützen - sie wären auch ein Signal an die Bahn, endlich verkehrspolitisch umzudenken.

Wer mit der Bahn fährt und zu spät kommt, kriegt künftig etwas Geld zurück: Bei einer Verspätung von einer Stunde und mehr sollen 25 Prozent des Fahrpreises erstattet werden - darauf hat sich die große Koalition im Grundsatz geeinigt, unter Dach und Fach ist das entsprechende Gesetz aber noch lange nicht. Zwar ist es gut, dass es ein solches Gesetz, das ohnehin eine EU-Richtlinie vorsieht, geben soll - es geht aber längst nicht weit genug.

Bislang ist die Entschädigung von Kunden, die wegen verspäteter Züge Probleme bekommen, von der Kulanz der Deutschen Bahn abhängig. Künftig werden sie einen Rechtsanspruch darauf haben - ein unbestreitbarer Vorteil. Die geplante Entschädigungsregel lässt aber zu wünschen übrig, Verbraucherschützer fordern eine viel schärfere: Bereits bei Verspätungen von einer halben Stunde und mehr sollten 25 Prozent des Fahrpreises fällig werden, bei Verspätungen von einer Stunde und mehr 50 Prozent des Fahrpreises.

Verglichen damit, wirkt das Vorhaben der Koalition ziemlich mager. Schließlich ist es auch wenig davon entfernt, was die DB derzeit freiwillig gibt: 20 Prozent des Fahrpreises bei Verspätungen von einer Stunde. Interessant ist, dass sich Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) für schärfere Regeln einsetzte, während Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) die Interessen der Bahn im Blick hat. Die befürchtet nämlich, bei großzügigen Verspätungsentschädigungen finanziell draufzuzahlen - und droht mit teureren Tickets.

Höhere Verspätungsentschädigungen würden aber nicht nur den Bahnkunden nützen - sie wären auch ein Signal an die Bahn, endlich verkehrspolitisch umzudenken. Statt auf teure neue Hochgeschwindigkeitsstrecken zu setzen, müsste sie mehr in die Infrastruktur in der Fläche investieren. Was nützt dem Bahnkunden der schnelle ICE, wenn die Regionalbahn anschließend auf maroden Gleisen bummelt und so weitere Anschlüsse gefährdet?

Bei aller berechtigten Kritik an der Bahn sollten Reisende aber eines nicht vergessen: So zuverlässig und pünktlich wie die Bahn wird das Auto nie sein.

RICHARD ROTHER

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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